Steinmeiers erster Wahlkampfauftritt:Die Kür nach der Kür

Lesezeit: 2 min

Es war sein erster Wahlkampfauftritt und gleichzeitig einer der schwierigsten: Frank-Walter Steinmeier hat es geschafft, das Publikum im Bierzelt bei Laune zu halten.

Peter Fahrenholz, Regensburg

Die in Bayern seit Jahrzehnten gebeutelte SPD hat schon deprimierendere Tage erlebt. Das Festzelt auf dem Regensburger Dultplatz ist bereits lange vor Beginn voll. Der frisch gekürte SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier lockt die Menschen an. Sein lange vereinbarter Auftritt im bayerischen Landtagswahlkampf ist der erste in seiner neuen Funktion.

"Der Steinmeier, der stellt was dar": Die Bewährungsprobe im Bierzelt hat der designierte Kanzlerkandidat bestanden. (Foto: Foto: AP)

Und vor allem die eingeschworenen SPD-Mitglieder, die sich in den ersten Reihen des Zeltes drängeln, sind erwartungsfroh. "Die meisten sagen, dass das ein Riesenbefreiungsschlag war", sagt der Regensburger SPD-Landtagsabgeordnete Joachim Wahnschaffe über die spektakulären Ereignisse vom Schwielowsee.

An den Tischen wird diese Sichtweise von fast allen geteilt. "Ich finde es richtig", sagt einer über Steinmeiers Kür und Münteferings Rückkehr, "das kann die Stimmung wenden". "Der Steinmeier, der stellt was dar", sagt eine Frau. Steinmeier, so der Tenor, kenne als langjähriger Adlatus von Gerhard Schröder das Kanzleramt von innen, er könne auf Augenhöhe mit der Bundeskanzlerin agieren.

Nur den volkstümlichen Auftritt im Bierzelt, in Bayern ein unverzichtbarer Teil der politischen Folklore, trauen ihm einige nicht so recht zu. "Das Bierzelt ist nicht so sein Ding", zweifelt eine Genossin vor seiner Rede. Tatsächlich ist die Bierzeltrede von allen politischen Reden die schwierigste.

Im Dunst von Schweinswürsteln und dem Geschepper von Bierkrügen den richtigen Ton zu treffen und die Aufmerksamkeit der Zuhörer zu behalten, verlangt den präzisen Einsatz rhetorischer Waffen. Da muss in regelmäßigen Abständen ein Knaller kommen, wenn der Redner merkt, dass der Geräuschpegel immer mehr anschwillt.

Als Steinmeier wenige Minuten später ins Zelt einzieht, ist von irgendeinem Fremdeln allerdings nichts zu spüren. Zu den Klängen des bayerischen Defiliermarsches, der sonst immer für Bayerns Ministerpräsidenten oder den CSU-Chef gespielt wird, kämpft sich Steinmeier durch den engen Gang nach vorne, bedrängt von Kamerateams und Anhängern, die einen Händedruck des Kandidaten erhaschen wollen. Der lässt sich darauf bereitwillig ein.

Steinmeier gibt den Schröder und watscht die CSU ab

"Der ist total lässig", schwärmt eine Polizistin. Und um die richtige Bierzeltstimmung zu erzeugen, hat Steinmeier ja auch noch den SPD-Spitzenkandidaten für die Landtagswahl, Franz Maget dabei. Der kennt die Atmosphäre in stickigen Zelten und heizt den Besuchern erst mal kräftig ein.

"Dies ist noch ein bisschen mehr als das, was ich schon kenne", ruft Steinmeier, "das wird ein wunderbarer Abend werden". Er hat das Sakko abgelegt, die Hemdsärmel aufgekrempelt und wer die Augen schließt, könnte fast glauben, da vorne rede Gerhard Schröder.

Wie es sich im Bierzelt gehört, watscht Steinmeier die CSU ab, von distinguierter Diplomatensprache keine Spur. "Wir haben das Gefühl, die CSU spinnt", donnert Steinmeier und macht sich über den von CSU-Chef Erwin Huber ausgerufenen "Kreuzzug" gegen die Linke lustig. "Warum hat ihm keiner gesagt, wie die Kreuzzüge ausgegangen sind?"

Mit welcher Strategie Steinmeier im nächsten Jahr Kanzler werden will, wird nur in Umrissen deutlich. Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, bestmögliche Bildung für alle - es sind die SPD-Standardthemen, die er abhandelt. Aber der Beifall, der seine Rede immer wieder unterbricht, zeigt: Den Test in Volkstümlichkeit hat Steinmeier an diesem Abend bestanden.

© SZ vom 12.09.2008/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: