Es war ein Wochenende mit Kerzenschein. Eines, an das sich Dana Rashid auch noch nach Jahren gut erinnert. Aber romantisch war es nicht. "Ohne Strom, diesen Schrecken möchte ich nicht noch einmal erleben", sagt die alleinerziehende Mutter. Ihr Sohn war damals sechs Jahre alt, als die Stadtwerke wegen ihrer nicht bezahlten Rechnung den Strom abstellten. "Es waren zwar nur drei Tage, aber die waren schlimm für mich. Ohne Strom gibt es gar nichts."
Dana Raschid (Name geändert) konnte nicht kochen. Sie konnte keinen Tee und kein warmes Essen zubereiten. Der Kühlschrank lief nicht. Die Wäsche blieb liegen. Es gab kein Radio, kein Fernsehen und kein Licht. "Mir waren die Hände gebunden", sagt Rashid, "ich bin abends früh ins Bett gegangen."
Dieser Schock wirkt nach: "Seitdem passe ich auf, dass mir so etwas nie wieder passiert." In ihrer Zwei-Zimmer-Wohnung hängen längst Energiesparlampen, auch sonst versucht Dana Rashid sparsam zu sein, zumal sie nur einen Teilzeit-Job hat. "Da sind 61 Euro monatliche Vorauszahlung für den Strom schon viel - und es wird jedes Jahr mehr", klagt die Mutter.
Menschen, die wegen Niedriglöhnen, Arbeitslosigkeit oder einer geringen Rente nur über ein kleines Einkommen verfügen, bringen die steigenden Energiepreise zunehmend in Bedrängnis. "Der Anteil ihres Einkommens, den sie für Energiekosten ausgeben müssen, wird immer größer", sagt Barbara Schmid von der Fachstelle Armutsbekämpfung im Münchner Sozialreferat. Denn weder die Niedriglöhne noch die Sozialhilfe- oder Hartz-IV-Regelsätze sind auch nur annähernd im gleichen Maß gestiegen wie zum Beispiel die Stromkosten, die nach Angaben des Statistischen Bundesamts allein zwischen 2005 und 2011 um knapp 40 Prozent geklettert sind.
Bei Härtefällen schaltet sich das Sozialreferat ein
"Energiesparen wird immer wichtiger", sagt Schmid. "Aber auch das ist mit wenig Geld schwierig." Den alten Kühl- und Gefrierschrank auszutauschen, kann eine Ersparnis von 80 Euro jährlich bringen; aber die Geräte mit dem niedrigsten Verbrauch sind in der Anschaffung am teuersten. Und vom Hartz-IV-Regelsatz von 374 Euro im Monat für Alleinstehende ist es ohnehin schon schwierig genug, das Geld für ein Billiggerät anzusparen. Im Regelsatz ist nur ein Betrag von 29,07 Euro für Strom vorgesehen, für einen Familienhaushalt mit drei Kindern sind es 80,99 Euro. Fallen tatsächlich höhere Stromkosten an, dann muss bei anderen Ausgaben gespart werden, etwa bei Lebensmitteln oder der Kleidung - bei Posten also, die ohnehin schon knapp bemessen sind.
Wird die Stromrechnung nicht bezahlt, dann kommt es zur Stromsperre. Wie viele Haushalte in München davon betroffen sind, darüber geben die Stadtwerke keine Auskunft. Nach Schätzungen sind es 3000 bis 4000 im Jahr. Bei jährlich etwa 200 Härtefällen, zum Beispiel bei Familien mit kleinen Kindern oder Menschen mit Behinderungen, schaltet sich das Sozialreferat ein, um eine Sperre abzuwenden oder sie aufzuheben.
Vor fünf Jahren hat es das Modellprojekt der "sozialpädagogisch begleiteten Energieberatung" gestartet. Denn es hat sich gezeigt, dass bei Haushalten, die sogenannte Energieschulden haben, oft auch Probleme beim richtigen Umgang mit Strom und Heizung bestehen. Meist ist es die Jahresrechnung, mit der "ein großer Schock kommt", sagt Peter Möhrle, einer der Mitarbeiter des Instituts für sozialpädagogische Arbeit, die zu Hausbesuchen kommen, um Menschen mit Energieschulden zu helfen.
Möhrle hat wie auch seine Kollegen einen Blick für die Schwachstellen, für die Energiefresser unter den Elektrogeräten ebenso wie für zugige Fenster, aber er betrachtet auch den Umgang mit Energie. Duschen statt Baden, das hilft ebenso zu sparen wie Waschen mit niedriger Temperatur. Und er betreibt Erfolgskontrolle, liest regelmäßig den Stromzähler ab und berechnet, ob der Verbrauch somit im Rahmen der Abschlagszahlung bleibt. Damit erfahren die Betroffenen sofort, was Verhaltensänderungen bewirken können.
Lieber frieren, als teuer bezahlen
Ein ganz großes Problem sieht Möhrle in den Nachtspeicheröfen, wie sie auch in vielen Sozialwohnungen noch stehen. "Sie werden oft falsch bedient", sagt er. Besonders schwer tun sich Menschen, die aus Ländern kommen, wo sie nicht heizen mussten. Auch viele ältere Leute könnten mit Nachtspeicheröfen nicht richtig umgehen, sagt Barbara Schmid. Nicht wenige sitzen aus Angst, die Rechnung sonst nicht zahlen zu können, frierend in der Wohnung.
Weil die Erfahrung zeigt, dass Broschüren mit Energiespartipps oder die Energieberatung in der Stadtwerke-Zentrale nicht alle Menschen erreichen, haben die Stadtwerke München (SWM) in Zusammenarbeit mit den Münchner Wohlfahrtsverbänden eine Energieberatung für Haushalte mit geringem Einkommen eingerichtet. Die SWM schulen dazu ehrenamtliche Energieberater der Wohlfahrtsverbände.
Beratung macht sich bemerkbar - auch für die Umwelt
Diese kommen zu einem Hausbesuch, bei dem sie auch ein SWM-Starterpaket zum Energiesparen verschenken: Mit einer Mehrfachsteckdose mit Schalter lassen sich Geräte mit Stand-by-Funktion abschalten - das allein kann nach Berechnungen der Stadtwerke schon bis zu 39 Euro im Jahr sparen. Im Paket gibt es auch ein Kühlschrankthermometer. Und stoßen die Energieberater auf uralte Kühlschränke, Kühl-Gefrier-Kombigeräte oder Waschmaschinen, so spendieren die Stadtwerke neue Geräte im kostenlosen Austausch. Seit Anfang 2009 haben bereits knapp 10.000 Münchner Haushalte Besuch von den ehrenamtlichen Energieberatern erhalten. Um die 2000 veraltete Elektro-Großgeräte sind bei Bedürftigen kostenfrei ersetzt worden.
Um die Wirksamkeit zu überprüfen, haben die SWM anonymisiert den Stromverbrauch von 800 teilnehmenden Haushalten untersucht. Deren Verbrauch war in den Jahren vor der Energieberatung durchgängig gestiegen. Die Beratung habe eine Trendwende gebracht, einen deutlichen Rückgang, so das Ergebnis: In allen beratenen Haushalten sei der Stromverbrauch um durchschnittlich 5,5 Prozent zurückgegangen.
Die Einsparungen insgesamt summierten sich auf fast eine Million Kilowattstunden, was dem Jahresverbrauch von 374 Haushalten entspricht. Die Umwelt entlastet dies um etwa 300 Tonnen Kohlendioxid. Die Stadtwerke und die Wohlfahrtsverbände wollen das bundesweit einmalige Projekt deshalb fortsetzen. Das Fazit der Stadtwerke lautet kurz und bündig: "Dieser Energieeinsatz hat sich gelohnt."