Sozialpolitik:Gebrechliche Menschen sind in Bayern schlecht versorgt

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In Bayern mangelt es an Kapazitäten zur Kurzzeitpflege. In 166 Heimen sind es gerade einmal noch 796 feste Plätze, kritisiert der VdK. (Foto: Jens Kalaene/dpa)
  • Die Leistungen für alte und gebrechliche Menschen - und deren Angehörige - lassen im Freistaat zu wünschen übrig, meint der Sozialverband VdK.
  • So fehle es an Kurzzeitpflegeplätzen und Angeboten zur Tagesbetreuung, auch Pflegestützpunkte seien nur dünn gesät.
  • Der VdK beklagt zudem, dass die Staatsregierung die versteckte Armut unter Bayerns Senioren ignoriere.

Von Dietrich Mittler, München

Die bayerische Senioren- und Pflegepolitik ist aus Sicht des Sozialverbandes VdK stark verbesserungswürdig. Am Mittwoch erklärte die VdK-Bundes- und Landesvorsitzende Ulrike Mascher, die Staatsregierung ignoriere die versteckte Armut unter Bayerns Senioren. Viele Rentner trügen auch im hohen Alter noch Zeitungen aus, füllten Regale in Supermärkten oder drehten als Nachtwächter in Industrieanlagen ihre Runden. "Hier geht es meistens einfach ums Überleben von Monat zu Monat", sagte Mascher.

Zu allem Unglück trage Bayern überdies dazu bei, dass durch die Pflegestärkungsgesetze erzielte Verbesserungen bei den Betroffenen nicht wirklich ankämen. "Es kann nicht sein, dass Pflegebedürftige Ansprüche nur auf dem Papier haben, weil es die Angebote nicht an Ort und Stelle gibt", sagte Mascher. "Nicht an Ort und Stelle" heiße konkret: "nicht in Bayern". Dies, so stellte die VdK-Vorsitzende klar, lasse sich gleich an mehreren Beispielen festmachen.

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Der Mangel an Kurzzeitpflegeplätzen

Auf diese sind insbesondere pflegende Angehörige angewiesen, die angesichts ihrer erhöhten Belastung überstrapaziert sind, dringend einmal Urlaub brauchen oder gar einen Krankenhaustermin nicht länger aufschieben können. "Tatsächlich finden Betroffene in Bayern aber kaum Kurzzeitpflegeplätze, deren Anzahl sinkt sogar mehr und mehr", kritisierte Mascher. Nach Erkenntnissen des VdK boten im März 2012 noch 205 Heime in Bayern feste Kurzzeitpflegeplätze an - insgesamt 966 an der Zahl.

Fünf Jahre später, im März 2017, seien es nur noch 166 Heime mit insgesamt 796 festen Kurzzeitpflegeplätzen gewesen. "Selbst wenn pflegende Angehörige ihren Urlaub weit im Voraus planen, werden sie vermutlich keinen Platz in der Kurzzeitpflege bekommen", sagte die VdK-Chefin, "und das ist ein unhaltbarer Zustand." Anders als der bayerische Patienten- und Pflegebeauftragte Hermann Imhof (CSU), der hier mehr auf finanzielle Anreize setzt, fordert der VdK, Druck auf die Heimträger auszuüben. Diese sollten verpflichtet werden, "einen gewissen Prozentsatz ihrer Betten als Kurzzeitpflegeplätze vorzuhalten". Finanzielle Anreize bezeichnete die VdK-Vorsitzende lediglich als eine "Zwischenlösung".

Fehlende Tagespflege-Angebote

Diese stellen laut VdK "eine wichtige Ergänzung der häuslichen Pflege dar", aber nur 820 Einrichtungen in Bayern böten aktuell Tagespflegeplätze an. "Ehrlich gesagt, finde ich diese Zahl angesichts von mehr als 241 000 zu Hause versorgten Pflegebedürftigen ziemlich bescheiden", sagte Mascher.

Viel zu wenige Pflegestützpunkte

Ursprünglich sollten bis 2010 in Bayern 60 unabhängige Beratungsstellen für alte Menschen und deren Angehörige entstehen - eingerichtet wurden nur einige wenige. 2011 erklärte dies die damalige Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) damit, die Bereitschaft der Kommunen, sich an dem Projekt zu beteiligen, sei "nicht allzu groß" .

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Aus Sicht der damaligen Opposition eine Schutzbehauptung, da die Staatsregierung für den Aufbau der Pflegestützpunkte selbst "keinen Cent ausgeben wollte". Mascher nahm das bereits 2014 zum Anlass der Kritik. Gut drei Jahre später legt sie nun nach: Immer noch fehle es in Bayern "an einer unabhängigen und wohnortnahen Beratungsstruktur".

Stattdessen aber werde im Freistaat an den Fachstellen für pflegende Angehörige festgehalten, die laut Mascher in der Regel von Wohlfahrtsverbänden besetzt seien, "die selbst Heime betreiben" und deshalb keine unabhängige Beratung geben könnten. In jedem Landkreis, so die Forderung des VdK, müsse jedoch mindestens ein Pflegestützpunkt aufgebaut werden. "Bayern sehe ich da noch ganz schlecht aufgestellt", sagte Mascher. Auch das hindere die Bürger daran, ihre Rechtsansprüche umzusetzen.

Erschwernisse bei den Entlastungsleistungen

Durch die Bundesgesetzgebung haben Pflegebedürftige Anspruch auf sogenannte Entlastungsleistungen. Werden sie etwa vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in den neuen Pflegegrad 1 eingestuft, so stehen ihnen pro Monat 125 Euro zu. Dieses Geld, so kritisiert nun der VdK, können die Betroffenen aber zum Beispiel nicht nahestehenden Personen wie Verwandte oder auch Nachbarn zukommen lassen, die sie etwa bei Arztbesuchen begleiten oder für die Pflegebedürftigen Hausarbeiten erledigen.

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"Nein, sie müssen als Pflegebedürftige einen vom Freistaat Bayern anerkannten Dienstleister finden", erklärte Mascher. Die Suche nach solchen anerkannten Anbietern gleiche aber "der Suche nach der Nadel im Heuhaufen". Und die großen Dienstleistungsträger verlangten so hohe Stundenpreise, dass das Geld rasch verbraucht sei.

© SZ vom 10.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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