Skelett-Fund in einer Höhle:Wer ist der Tote vom Untersberg?

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Wissenschaftler zweifeln, ob die Reste der Skiausrüstung tatsächlich zum Toten gehören. (Foto: oh)
  • Wer war der Mann, dessen Skelett eine Schülergruppe vor Wochen bei einer Exkursion im Untersberg entdeckt hat? Darauf gibt eine DNA-Analyse der Gerichtsmedizin in Salzburg Auskunft.
  • Demnach gehört das Skelett zu einem mehr als 20 Jahre alten, 1,63 Meter großen Skifahrer, der zwischen 1920 und 1935 verunglückte.
  • Unklar ist weiterhin, wie der Mann hieß und wo er lebte.

Von Sarah Kanning, München

Der verschwundene Skifahrer war etwas älter als 20 Jahre und 1,63 Meter groß. Von einer Tiefschneeabfahrt am Untersberg kehrte er nie mehr zurück, irgendwann zwischen 1920 und 1935, da ist sich die Salzburger Gerichtsmedizin sicher. Sie untersucht seit sechs Wochen die Skelett- und Skireste, die ein Höhlenforscher mit einer Schülergruppe bei einer Exkursion im Untersberg entdeckt hatte. Doch immer noch steht nicht fest, wer der Mann war, der bei dem Sturz in 50 Meter Tiefe starb.

"Die Untersuchung ist sehr gut gegangen", sagt Edith Tutsch-Bauer, Leiterin der Gerichtsmedizin Salzburg. "Wir konnten ein so vollständiges DNA-Profil erstellen, dass es datenbanktauglich wäre." Nur: Es gibt keine Vermisstendatenbank vor 1960. Und die DNA des Toten stimmt nicht wie erhofft mit der eines inzwischen 99 Jahre alten Salzburgers überein.

Verworrene Familienverhältnisse

Dieser hatte 1929 seinen damals 20-jährigen Bruder bei einer Skitour am Untersberg verloren. "Entweder, er ist es nicht, oder die Verwandtschaftsverhältnisse stimmen nicht", sagt Tutsch-Bauer. Das heißt: Die Brüder wären keine biologischen Brüder. Möglich ist das, da die Familienverhältnisse in diesem Fall tatsächlich etwas verworren sind: Die Mutter des heute 99-Jährigen heiratete nach dem Tod ihres ersten Ehemannes dessen Bruder und bekam mit ihm einen zweiten Sohn, den heute 99-Jährigen. Er und der Verschwundene wären demnach Halbbrüder. Wären aber auch beispielsweise ihre Väter aus irgendeinem Grund keine biologischen Brüder, muss der DNA-Abgleich negativ ausfallen.

Die Mediziner untersuchten bislang das Y-Chromosom. Da der Fall des Verschwundenen in Alter und Zeitraum aber exakt auf die Erkenntnisse der Gerichtsmedizin passt, will diese möglicherweise die DNA noch einmal mit dem Genom einer Schwester des 99-Jährigen abgleichen. Dazu müssten sie das X-Chromosom untersuchen. "Eine Arbeit "etwas außerhalb des Alltäglichen", wie Tutsch-Bauer es nennt. Zusammen mit einem Anthropologen aus Wien und dem Molekularbiologen Jan Cemper-Kiesslich, der bereits die Knochen der Klosterbrüder vom Tegernsee untersuchte, wollen die Mediziner das Rätsel um das alte Skelett lösen.

Die Gerichtsmedizinerin hält es inzwischen für möglich, dass Knochen und Skireste erst an die Fundstelle gespült worden sind. Der Untersberg ist durchzogen von Rinnsalen und Wasserläufen: "Möglicherweise ist das Skelett nicht auf den Skiern gefahren", sagt Tutsch-Bauer.

Nun ja. Die Ermittler wollen über die Landesgrenze schauen: "Jetzt geht es für die alpine Polizei wieder an die Archive der Salzburger Familiengeschichte, aber wir brauchen auch Hilfe aus Bayern, denn es ist möglich, dass der Mann aus Berchtesgaden oder Bischofswiesen auf der deutschen Seite des Untersbergs stammte." Inzwischen habe ihr auch ein Mann geschrieben, der angeblich 1650 Mal am Untersberg unterwegs war und dem dort eine kleine Gedenktafel aufgefallen war: für einen Mann, der seit 1932 am Untersberg vermisst wird. Nur leider ist die kleine Tafel inzwischen ebenfalls verschwunden.

© SZ vom 20.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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