Sicherungsverwahrung:Sexualtäter beschwert sich in Karlsruhe

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Die Sicherungsverwahrung muss sich deutlich von einer Haftstrafe unterscheiden - das hat ein Sexualtäter vor vier Monaten beim Bundesverfassungsgericht durchgesetzt. Doch für den Kläger, den die Justiz nach wie vor für gefährlich hält, haben sich die Haftbedingungen seither verschlechtert. Jetzt hat er Beschwerde eingereicht.

Mike Szymanski

Vier Monate nachdem ein Straftäter aus Straubing als einer von vier Klägern vor dem Bundesverfassungsgericht sämtliche Regelungen zur Sicherungsverwahrung zu Fall gebracht hat, müssen sich die Karlsruher Richter erneut mit dem Fall befassen. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hat der Anwalt des Sicherungsverwahrten, Adam Ahmed, am Mittwoch in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde eingereicht. Der Anwalt wirft der bayerischen Justiz vor, seinen Mandanten ohne ausreichende Rechtsgrundlage festzuhalten und fordert die sofortige Freilassung seines Mandanten.

Die Sicherungsverwahrung muss sich deutlich von Strafhaft unterscheiden, fordert das Verfassungsgericht. (Foto: dpa)

"Es gibt keinen Grund, meinen Mandanten weiter zu inhaftieren", sagt Ahmed der SZ. Er beruft sich darauf, dass mit dem Urteilsspruch aus Karlsruhe frühere Entscheidungen über die Sicherungsverwahrung des Mannes aufgehoben worden seien. Die dennoch gegen seinen Mandanten vom Landgericht Regensburg angeordnete "einstweilige Unterbringung" hält er für unverhältnismäßig. Ahmed beklagt, dass sich die Unterbringungsbedingungen des Mannes seit dem Urteilsspruch gravierend verschlechtert hätten. Der Anwalt hatte Haftbeschwerde eingelegt, unterlag aber in der nächst höheren Instanz.

Der Mann hatte 1997 in der Nähe von Kelheim eine Joggerin erwürgt und anschließend missbraucht. Der damals 19-Jährige wurde 1999 zu zehn Jahren Jugendstrafe verurteilt. 2009 ordnete das Landgericht Regensburg die nachträgliche Sicherungsverwahrung an. Die Karlsruher Richter erklärten im Mai unter anderem anhand seines Falls die Vorschriften über die Anordnung und die Dauer der Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig. Insgesamt stärkt das Urteil die Rechte von Sicherungsverwahrten. Einerseits hob Karlsruhe die Anforderungen an, die erfüllt sein müssen, um Straftäter nach der Haft weiter festzusetzen.

Andererseits muss sich die Unterbringung deutlicher von der Haft unterscheiden. Der Kläger selbst hat bisher nicht von dem Urteil profitiert. "Er hat seither all seine Privilegien verloren", sagt Ahmed. Der Verurteilte sei wieder 23 Stunden am Tag eingesperrt und habe den Status eines Untersuchungshäftlings. Auch arbeiten, wie zuvor als Sicherungsverwahrter, könne er derzeit nicht. "Das Verfassungsgericht wollte sicher nicht, dass sich seine Situation verschlechtert", sagt Ahmed. Obwohl Karlsruhe den Gerichten aufgegeben hatte, in ähnlichen Fällen bis Jahresende zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Sicherungsverwahrung noch vorlägen, habe sich nach Ansicht von Ahmed seit Monaten kaum etwas getan. "Es gibt noch immer keinen Termin für die Hauptverhandlung." Das Verfahren werde "verzögert".

Das Justizministerium weist die Vorwürfe zurück. Zur Aussicht auf den Erfolg einer Verfassungsbeschwerde wolle man nicht Stellung nehmen, weil sie der Behörde noch nicht vorliege. Ein Sprecher räumt aber ein, dass der Mann derzeit wie ein Untersuchungshäftling behandelt werde. Allerdings dürfe er länger als andere Besuch empfangen. Wenn er arbeiten wolle, müsse er einen Antrag stellen.

Das Landgericht Regensburg hält ihn weiterhin für hochgradig gefährlich und schließt nicht aus, dass er wieder einen Sexualmord begehen könnte. Es ist überzeugt, dass der Straftäter auch unter den neuen Vorgaben nicht freikommen würde und hält ihn daher weiter fest. Justizministerin Beate Merk (CSU) erklärte: "Wenn bei einem Gefangenen die hochgradige Gefahr besteht, dass er nach der Entlassung erneut schwerste Gewalt- oder Sexualdelikte begeht, dann darf er nicht rausgelassen werden. Dieser Grundsatz muss auch, innerhalb der Vorgaben aus Karlsruhe, bei der Neuregelung der Sicherungsverwahrung im Mittelpunkt stehen."

© SZ vom 08.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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