Das jüngste Gespräch, das Ute Häußler-Jitoboh in der Justizvollzugsanstalt Kaisheim mit dem HIV-infizierten Strafgefangenen Paul Bruns geführt hat, ist wenig beruhigend. "Es geht ihm schlecht, er hat Schmerzen und leidet unter Suchtdruck", sagt die Mitarbeiterin der Augsburger Aids-Hilfe. Bruns (Name geändert) ist heroinabhängig und hatte deshalb die Fortführung seiner Substitutionstherapie gefordert - einer Therapie also, bei der ein Ersatzpräparat unter ärztlicher Aufsicht verabreicht wird. Doch die Ärzte der JVA Kaisheim hatten das abgelehnt. Eine solche Behandlung sei allein schon aus medizinischen Gründen nicht notwendig. Bruns wehrte sich dagegen vor dem Landgericht Augsburg. Das Gericht wies sein Ansinnen jedoch zurück.
Der Fall sorgt bundesweit für Aufsehen. Die Aids-Hilfe Deutschland wirft der bayerischen Justiz vor, sie verletze bei heroinabhängigen Strafgefangenen vielfach das "Menschenrecht auf bestmögliche Gesundheit". Bayerns Justizministerin Beate Merk - so heißt es in einem offenen Brief - solle doch bitte Auskunft darüber geben, warum in Bayerns Haftanstalten Heroinabhängigen zumeist eine Substitutionstherapie vorenthalten werde. Ausnahmen, so sagt Martin Jautz von der Aids-Hilfe München, würden nur bei Schwangeren oder bei Häftlingen gemacht, die bald wieder entlassen werden. "Das widerspricht völlig dem, was in Freiheit an medizinischer Behandlung angeboten wird", sagt er.
Ein Sprecher des Justizministeriums weist die Vorwürfe "mit allem Nachdruck" zurück: Suchtkranke Gefangene im bayerischen Strafvollzug könnten durchaus eine Substitutionsbehandlung erhalten. "Entscheidend dafür kann aber nicht allein der Wunsch des Gefangenen sein", betont er. Bayern strebe - so wie sicherlich auch die Aids-Hilfe - "das Ziel eines suchtfreien Strafvollzugs an". Es unterliege folglich der freien Entscheidung des zuständigen Anstaltsarztes, ob ein Strafgefangener eine Substitutionsbehandlung brauche - oder eben nicht. "Eine Ersatzbehandlung ist nur dann geschuldet, wenn sie medizinisch angezeigt ist", argumentiert Merks Ministerium.
Aus Sicht der Aids-Hilfe geht das an der Realität vorbei. "Während in den Gefängnissen anderer Bundesländer die Substitutionsmöglichkeiten ausgebaut werden, verwehren die meisten bayerischen Anstaltsärzte die Behandlung aus prinzipiellen Gründen", erklärte ein Sprecher der Hilfsorganisation. Durch diese Blockadehaltung seien Leib und Leben der Häftlinge in Gefahr, weil "Heroinabhängige im Gefängnis besonders häufig Spritzen und Injektionsutensilien gemeinsam nutzen".
Gegen die Entscheidung des Landgerichts Augsburg hat Bruns - von der Aids-Hilfe unterstützt - Rechtsbeschwerde eingelegt. "Er will das notfalls bis in die letzte Instanz durchfechten", sagt Ute Häußler-Jitoboh. Dabei sei ihm wohl bewusst, dass er selbst von dieser Entscheidung nicht mehr profitieren wird. Ende 2014 wird Bruns aus der Haft entlassen.