Riesen-Moschee in Algerien:Beton-Pfeiler aus der Oberpfalz

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Tragendes Element: Die achteckigen Säulen für die drittgrößte Moschee der Welt in Algier werden in der Oberpfalz gefertigt. (Foto: KSP Jürgen Engel Architekten Krebs und Kiefer International)

Die Stadt Algier baut sich ein neues Wahrzeichen: Die "Mosquée de l'Algérie" soll die drittgrößte Moschee der Welt werden - und die mit dem höchsten Minarett. Gebaut wird sie mit Hilfe aus Bayern.

Von Ralf Scharnitzky

Im südlichen Gewerbegebietsgürtel von Neumarkt in der Oberpfalz wird sich in den nächsten Wochen einiges tun: Im Betonmastenwerk Europoles wird eine Halle komplett erneuert werden, und es wird große Investitionen geben - in eine Schleuderbank, in neue Kräne sowie in eine neue Betonmischanlage. Und besonders wichtig für die 40.000-Einwohner-Stadt: Es werden nicht nur Arbeitsplätze gesichert, sondern auch neue geschaffen. Verspricht Unternehmens-Chef Oliver Bensch.

Das Geld dafür wird aus Algerien kommen. Dort entsteht in der Hauptstadt Algier zurzeit die drittgrößte Moschee der Welt. Für einen sicheren Stand der gewaltigen Pilgerstätte sorgt Europoles: Das mittelständische Unternehmen baut und liefert in den kommenden Monaten nach und nach 614 achteckige Stützen. 1,1 Milliarden Euro soll die "Mosquée de l'Algérie" kosten; 27,7 Millionen davon werden nach Neumarkt überwiesen.

"Nicht schlecht", meint der technische Projektleiter Michael Biederer über den Auftrag - und stapelt damit bewusst tief. Denn das Volumen setzt für das Unternehmen schon eine Marke - sowohl vom Produktionsumfang wie auch vom Umsatz her. Der Ingenieur hatte zusammen mit Kollegen den Bauherren ein Angebot unterbreitet, das die "im Prinzip nicht ablehnen konnten", heißt es im Unternehmen. Die Trümpfe, die Gesamt-Projektleiter Lutz Bauer beim Verhandlungspoker mit Konkurrenten aus Österreich, den USA, China und der Schweiz in der Hand hielt, seien die Belastbarkeit und die Optik der Betonmasten von Europoles gewesen.

Die fast 400.000 Quadratmeter große Gesamtanlage wird im Auftrag der algerischen Regierung nach den Plänen der Arbeitsgemeinschaft KSP Jürgen Engel Architekten (Frankfurt am Main) und Krebs und Kiefer International (Darmstadt) errichtet. Der Komplex bietet Platz für 120.000 Pilger täglich und wird damit nur von den Pilgerstätten in Mekka und Medina übertroffen. In der Bucht von Algier, östlich der historischen Innenstadt gelegen, soll die Anlage den zentralen und initialen Baustein einer neuen Stadtentwicklung bilden.

Prunkstücke aus dem Hause Europoles für den Bau der Moschee sind die 32 dreiteiligen Schleuderbetonstützen mit einem Durchmesser von 1,62 Meter und einer Länge von 36 Metern für den Gebetssaal. Sie geben der Salle de Prière seine unverwechselbare Gestalt. Die Halle ist als gewaltiger Kubus mit einer Grundfläche von circa 145 auf 145 Metern und einer Höhe von 22,5 Metern geplant. Etwas eingerückt ist ein etwa 45 Meter hoher Kubus mit der zentralen Kuppel. Um dieses Zentrum herum werden dreireihig 216 unterschiedlich lange Europoles-Masten mit einem Durchmesser von 81 Zentimetern verbaut, für das gesamte Areal braucht man außerdem noch zusätzlich 366 kleinere Pfeiler - unter anderem für die Eingangsarkaden.

Der Komplex wird von einem 256 Meter hohen Minarett dominiert, das höchste der Welt. Die Turmspitze soll öffentlich zugänglich sein. Nachts soll die gläserne Hülle des Minarettkopfs weithin sichtbar erstrahlen - als Orientierungspunkt und neues Wahrzeichen von Algier. Die "Mosquée de l'Algérie" wird verschiedene kulturelle und religiöse Einrichtungen auf ihrem von einem Park umschlossenen Areal vereinen: ein Museum mit Forschungszentrum für den Islam, ein Kulturzentrum mit Konferenzräumen und Bibliothek, eine theologische Hochschule sowie Wohnungen und Infrastrukturgebäude. Der Grundstein wurde im Oktober 2011 gelegt.

Im November dieses Jahres sollen die Arbeiten am Fundament soweit fortgeschritten sein, dass Europoles die ersten Stützen liefern muss. Diese werden per Lastwagen bis zum Hamburger Hafen gebracht und dann mit dem Schiff auf direktem Weg nach Algier transportiert. Dort wird die wertvolle Ladung dann jeweils von zwei Europoles-Mitarbeitern in Empfang genommen. Den Aufbau der Stützen übernehmen an der Errichtung der Moschee beteiligte Unternehmen.

Das Betonmastenwerk in Neumarkt ist auf eine schnelle und flexible Produktion ausgerichtet - und damit auf eine termingenaue Auslieferung. Dies ist wichtig für einen kontinuierlichen Baufortschritt vor allem bei Großprojekten. Möglich wird dieser Service durch eine hohen Vorrat an Rohstoffen und entsprechende Lagerkapazitäten. Deshalb hat Europoles noch an anderen Standorten in der oberpfälzischen Kleinstadt Hallen angemietet. Die Firma gehört in dem für seine starke Baubranche bekannten Neumarkt zu den größeren Arbeitgebern. Wirtschaftsförderer Wolfgang Wittl von der Stadtverwaltung begrüßt die weltweiten Aktivitäten des Unternehmens: "Solche großen prestigeträchtigen Aufträge stärken den Standort Neumarkt in der Baubranche und bringen auch ein bisschen Werbung für unsere Stadt."

Die "Mosquée de l'Algérie" wird von einem 256 Meter hohen Minarett dominiert. (Foto: Europoles)

Das Unternehmen Europoles hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. 1919 baute der Heilbronner Holzhändler Gustav August Pfleiderer in Neumarkt ein Sägewerk auf und errichtete einen Imprägnierbetrieb für Holzmasten und Holzschwellen auf dem heutigen Firmengelände. 1956 begann die Schleuderbeton-Produktion für Licht- und Leitungsmasten, in den 80er und 90er Jahren wurde die Herstellung von Holzmasten eingestellt und Fertigungsstandorte für Betonstützen in den USA und im sächsischen Coswig errichtet.

Nachdem sich Pfleiderer dann mit der Expansion nach Nordamerika übernommen hatte, geriet die Aktiengesellschaft in Schieflage, wurde mit juristischem Getöse abgewickelt und in eine GmbH im Besitz einer luxemburgischen Investorengruppe umgewandelt. Im Zuge dieses Niedergangs war die Herstellung von Betonmasten 2004 in neue Hände übergegangen. Pfleiderer trennte sich vom US-amerikanischen Mastengeschäft, holte die Produktion von Coswig nach Neumarkt - und übergab den Geschäftsbereich an die mittelständische VTC Partners GmbH in München; ebenfalls eine Investorengruppe, die nach eigenen Angaben laufend neue Beteiligungen sucht.

Pfleiderer selbst ist heute übrigens wieder zu seinen Wurzeln zurückgekehrt und produziert in Neumarkt Spannplatten für die Möbelindustrie. Die Firma errichtet am Stammsitz gerade ebenfalls eine neue Produktionshalle - in unmittelbarer Nähe ihrer ehemaligen Firma Europoles.

© SZ vom 27.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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