Verletzter Forscher in Riesending-Höhle:Rettung geht schneller voran als erwartet

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In dieser Trage liegt der verletzte Forscher Johann W. (Foto: Getty Images)

Die Hälfte der 1000 Meter sind geschafft: Der verletzte Höhlenforscher Johann W. hat Biwak 2 in der Riesending-Höhle erreicht. Bereits am Donnerstag könnte er wieder das Tageslicht erblicken. Doch zunächst steht ihm eine schwierige Passage bevor.

Von Sarah Kanning, Berchtesgaden

Die Rettungskräfte des verletzten Höhlenforschers Johann W. kommen rascher voran als geplant. Wie Stefan Schneider von der Bergwacht Bayern am Dienstagmorgen mitteilte, sind die Einsatzkräfte mit dem Verletzten und einem italienischen Arzt bereits im Biwak 2 in etwa 500 Metern Tiefe angekommen. Nach elf Stunden. Ursprünglich waren für die schwierige Wegstrecke, die von zahlreichen Auf- und Abstiegen geprägt ist, rund 24 Stunden eingeplant gewesen.

"Die ruhen sich in Biwak 2 jetzt erstmal aus", sagte Schneider. Am Nachmittag hieß es, die Helfer hätten nun ihren Weg Richtung Oberfläche wieder aufgenommen. Dem Verletzten stehe jetzt eine schwierige Passage bevor, sagte Schneider, weil er auf dem Weg nach oben eine "Wasserdusche" bewältigen muss. Ein Schweizer Team soll mit einer Spezialausrüstung dafür sorgen, dass der Patient nicht nass wird und eine Unterkühlung erleidet.

Eine italienische Ärztin ist unterdessen beim Patienten angekommen, sie soll ihren Kollegen ablösen. Der Zustand des Forschers ist weiterhin stabil. Ein österreichisches Team hat inzwischen den Schacht für die Rettung weiter vorbereitet. "Wir rechnen jetzt damit, dass er am Donnerstag oder Freitag das Tageslicht erreicht", sagte Schneider von der Bergwacht.

Wenn nichts Unvorhergesehenes geschieht, könnte die Rettung des Verletzten aus der Riesending-Schachthöhle bei Berchtesgaden damit nach genau einer Woche abgeschlossen werden. Der Transport des durch ein Schädel-Hirn-Trauma schwer verletzten W. hatte am vergangenen Freitag begonnen. 60 Einsatzkräfte befinden sich inzwischen in der Höhle.

Am Montag tauchte erstmals ein kurzes Video von der Rettungsaktion in der Höhle auf: Es sind Bilder, vermutlich vom Sonntag, die die Höhlenretter mit Stirnkameras im horizontalen Streckenabschnitt der "Langen Geraden" aufgenommen haben. Sie zeigen, wie mühselig die Arbeit ist.

Die außergewöhnlichen Bedingungen in der Höhle lassen die Helfer mit dem Patienten in einer ausgeschäumten Trage nur langsam vorankommen. In der Höhle herrscht eine Luftfeuchtigkeit von 98 bis hundert Prozent, berichtete Pedro Balordi von der Schweizer Höhlenrettung. Er ist am Mittwoch in die Höhle gestiegen, um eine Trage zu W. zu bringen.

"Die Höhle macht ihrem Namen alle Ehre", sagte Balordi. Enge und weite Schächte wechseln sich mit Windungen ab, in denen die Retter und der Arzt, die immer bei W. sind, die Trage nur senkrecht bewegen können. "Sobald man sich bewegt, schwitzt man, bleibt man stehen, friert man, der Transport ist komplex."

170 ausländische Helfer

Riesending-Schachthöhle
:Gerettet aus der Tiefe

Elf Tage, zehn Stunden und 14 Minuten war er in der tiefsten Höhle Deutschlands gefangen. Am Donnerstag ist der schwer verletzte Forscher Johann W. gerettet worden. Eine Chronologie in Bildern.

Balordi ist einer von inzwischen 170 ausländischen Helfern, die an dem Vorhaben beteiligt sind. Die Höhle ist mit 1148 Metern die tiefste und mit 19,2 Kilometern die längste in Deutschland. In der Bundesrepublik gibt es allerdings zu wenige Einsatzkräfte, die unter diesen Bedingungen helfen können - deshalb reisten Höhlenretter aus Italien, Österreich, der Schweiz und seit Montag auch aus Kroatien an.

Der Patient dürfte relativ wenig von der Rettungsaktion mitbekommen. Er ist mit Gurten fixiert, die Füße stehen auf einem Trittbrett, damit die Trage in alle Richtungen bewegt werden kann. Sein Hals darf nicht bewegt werden und über seinem Kopf ist ein helmartiger Schutz angebracht, damit er sich bei Stößen nicht am Kopf verletzt. Denn an die Wände wird die Trage stoßen, das lässt sich gar nicht vermeiden: "Er hat Wandkontakt", sagt der Schweizer Balordi, denn vor allem die Ausstiege aus den kegelförmigen, vertikalen Schächten seien extrem schmal.

Damit er nicht alle Geräusche hört, das Schleifen, das Kratzen, trägt W. Kopfhörer. "Wir müssen uns in der Höhle Kommandos oft zuschreien", sagte Balordi. "Ich habe das selbst einmal bei einer Übung erlebt, das ist für den Verunglückten extrem belastend."

(Mit Material der dpa)

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