"Reichsbürger"-Prozess:Frau nach Aktendiebstahl zu Haftstrafe verurteilt

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Zahlreiche Polizisten und Justizwachtmeister haben das Amtsgericht in Kaufbeuren am Donnerstag zu einem Hochsicherheitsgebäude gemacht. Denn die tumultartigen Szenen, die sich vor 14 Monaten in dem Justizgebäude im Allgäu abgespielt hatten, sollten sich nicht wiederholen. Damals hatte eine Gruppe von sogenannten Reichsbürgern eine Verhandlung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gesprengt, die Angeklagte hatte vom Richtertisch ihre Strafakte gestohlen und war mit den Unterstützern getürmt. Nun muss die vielfach vorbestrafte 51-Jährige ein Jahr und zwei Monate ins Gefängnis.

Für die Angeklagte, die als Beruf "Heilerin" angab, war es ein Wiedersehen mit demselben Gerichtssaal, in dem sie im Januar 2016 mit ihren Freunden eine "Reichsbürger"-Show abgezogen hatte. Die Störer gaben damals lautstark krude Ansichten zur Rechtmäßigkeit von Staat und Justiz von sich und erklärten die Akte der Frau für "beschlagnahmt". Dies alles wurde mit einem illegalen Video dokumentiert, das später im Internet veröffentlicht wurde.

Nachdem sie im vergangenen Jahr zum ersten Prozess wegen des Aktendiebstahls nicht erschienen war, wurde die Frau vor etwa fünf Wochen an ihrem neuen Wohnort in Spanien festgenommen und an Deutschland ausgeliefert. Gegen vier Helfer sind Strafbefehle erlassen worden, wovon zwei bereits rechtskräftig sind. Die inzwischen in der Justizvollzugsanstalt Memmingen inhaftierte Frau wollte sich in der Verhandlung zu den Vorwürfen nicht äußern. Doch der Richter konnte auf die Aussage der Angeklagten ebenso verzichten wie auf Zeugen. Ihm reichte das sichergestellte Video und die Aussage der 51-Jährigen bei der Ermittlungsrichterin nach der Auslieferung. Dort hatte sie den Diebstahl zugegeben.

Die Frau betonte, dass sie keine "Reichsbürgerin" sei. Gleichzeitig machte sie aber klar, dass sie "mit dem System in Deutschland nicht einverstanden" sei und auch das Gericht ablehne. Nachdem die Frau wegen Fahrens ohne Führerschein bereits rechtskräftig zu acht Monaten Haft verurteilt war, bildete der Richter mit dem Urteil für den Aktendiebstahl eine Gesamtstrafe von 14 Monaten Haft. Nach 45 Minuten war das Verfahren beendet, das wegen scharfer Kontrollen mit Verspätung losging. Der Staatsanwalt nahm das große Publikumsinteresse mit Humor: "Hauptsache, die lassen die Akten in Ruhe."

© SZ vom 31.03.2017 / dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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