Regionale Spezialität:Grob, kalt und leberhaltig

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Dreiklang: Zum Ostheimer Leberkäs gehören traditionell ein Brötchen und eine saure Gurke. (Foto: Przybilla)

Ostheimer Leberkäs eröffnet eine ganz eigene Geschmacksdimension

Von Olaf Przybilla, Ostheim vor der Rhön

Einen sachdienlichen Hinweis vorab, um in den Ostheimer Metzgereien Mußmächer, Wienröder und Ortlepp nicht völlig wie der kulinarische Depp an der Wursttheke zu stehen: Die Frage, ob man zum "Ostheimer Leberkäs" auch süßen Senf gereicht bekommen könnte, einfach weglassen. Es sei denn, man ist gerade scharf auf ein mokantes Lächeln und allerlei Erörterungen zum nahen Untergang des Abendlandes. Am charmantesten pariert Isabell Mußmächer, die Juniorchefin des zentral gelegenen Stadtmetzgers, die Frage. "Ja, warum nicht? Wir haben hier auch einen Kunden, der verlangt Ketchup zu rohem Hackfleisch." Danke, verstanden, also keinen süßen Senf.

Ostheimer Leberkäs, das legt der Name nahe, gibt es nur in Ostheim. Zwar versuchen sie sich in Mellrichstadt offenbar an Imitaten, aber schon die im Nachbarort, da sind sich die Ostheimer ziemlich sicher, können's einfach nicht. Wer in Ostheim einen Leberkäs bestellt, der bekommt auch einen. Und nicht, wie in großen Teilen Restbayerns üblich, einen Fleischkäs. Der Ostheimer Leberkäs ist erstens grob. Er ist zweitens wirklich leberhaltig (über die Quote scheint es allerdings Differenzen im Ort zu geben: Die einen schwören auf zehn, die anderen auf 20 Prozent). Drittens ist er nur kalt essbar, beziehungsweise genießbar. Und viertens schmeckt er um Dimensionen besser als das handelsübliche Konkurrenzprodukt, das unberechtigterweise diesen Namen okkupiert hat. Jedenfalls sollen das repräsentative Umfragen im Raum Ostheim vor der Rhön ergeben haben.

Der original Ostheimer Leberkäs, so erklärt es die Dame an der prächtigen Wursttheke bei Wienröders, ist eine gebackene Fleischterrine mit knuspriger Kruste. Leberkäs mit Leber gibt es im Glas und in der Dose, in den Stadtmetzgereien aber auch frisch gebacken in Laibform. Die Wienröders im Osten von Ostheim verwenden 90 Prozent Schweinefleisch und Schweinebacken, die Mußmächers in der Stadtmitte 80 Prozent. Phosphat und Geschmacksverstärker müssen draußen bleiben, wesentliches Gewürz neben Salz und Pfeffer ist Muskat. Dazu gereicht wird ein Brötle, wie die Semmel hier heißt, plus einer Essiggurke. Senf in seiner scharfen Variante gilt noch nicht als Kulturbruch, stört aber nach Lehrmeinung die delikate Lebernote. So oder so: Ohne Ostheim vor der Rhön stünde diese Form von Leberkäs wohl längst auf der Liste der bedrohten Lebensmittel.

Was man jetzt dazu trinken könnte, ist in Ostheim eine fast schon ungehörige Frage. Natürlich eine Bionade, die gibt es in jedem gut sortierten Ostheimer Fachgeschäft und also auch in der Metzgerei Mußmächer zum Beispiel. Wer aus Westen nach Ostheim vor der Rhön kommt, den dürfte das kaum wundern. Vor lauter aufgetürmten Bionade-Kästen sieht man am Ortsschild den Kirchturm der Stadt kaum. Wer das dort noch für Zufall hält, erfährt es spätestens in der Stadt: Jawohl, die Mutter aller Alternativ-Brausen stammt aus Ostheim im Landkreis Rhön-Grabfeld. Sie wurde hier erfunden, sie wird hier gebraut, und auch wenn sie inzwischen zum Angebot eines Weltkonzerns gehört, wird sie wohl für immer mit der Geschichte der Stadt verbunden bleiben. Fast wie der Ostheimer Leberkäs.

© SZ vom 25.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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