Rechtsstreit mit Kirche:Vergiftetes Klima

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Seit 1992 ist Susana Czeizel die Pflegerin von Pfarrer Peter Ditterich. Sie will erreichen, dass die Kirchenstiftung die frühere Dienstwohnung, die von Schimmel befallen ist, saniert. Für die Kirche ist Czeizel jedoch ein "Nullum". (Foto: www.roggenthin.de)

Schimmel hat die Dienstwohnung eines schwerkranken Ruhestandspfarrers unbewohnbar gemacht. Er führt deshalb einen Rechtsstreit mit der Kirche, die vor allem mit der Pflegerin des Geistlichen ein Problem hat.

Von Olaf Przybilla

15 Jahre war Peter Ditterich Pfarrer in St. Elisabeth, und man kann wohl sagen, dass es besondere Jahre waren für die katholische Innenstadtgemeinde in Nürnberg. Menschen, die Ditterich in der Zeit erlebt haben, beschreiben ihn als Seelsorger, dessen Gottesdienste man unbedingt hören wollte. Ditterich malte Bilder und knüpfte den Inhalt seiner Predigten an diese. Und er sorgte sich um die Prostituierten aus dem Rotlichtviertel an der Stadtmauer. Ein Pfarrer, der sich um die Probleme von Huren kümmert, Ditterich wurde damit nicht nur im Bistum Bamberg bekannt. Bis 1992 ging das so, dann erlitt Ditterich einen Schlaganfall.

Wer den Seelsorger heute treffen möchte, findet ihn nicht mehr am Jakobsplatz in seiner früheren Dienstwohnung. Ditterich lebt seit etwa einem Jahr am Rand der Stadt, umringt von gesichtslosen Hochhäusern. Seine neue Wohnung ist fast leer, denn Ditterichs Habe, seine Bilder und seine Bücher liegen noch in der alten Dienstwohnung. Die aber ist so kontaminiert, dass er sich nicht traut, etwas davon in die neue Wohnung mitzunehmen. Der 73-Jährige ist gelähmt seit dem Schlaganfall. Und er leidet inzwischen unter einer schweren Lungenerkrankung. In einer verschimmelten Wohnung, so haben es ihm Ärzte attestiert, bestünde Lebensgefahr.

Noch schlimmer aber "zehrt der Kampf mit seiner Kirche an ihm", sagt Susana Czeizel, die Frau, die sich seit 20 Jahren um ihn kümmert. Seit Jahren streitet der Pfarrer mit der Kirchenstiftung St. Elisabeth um eine Sanierung seiner Dienstwohnung, seit mehr als drei Jahren wird der Streit auch vor Gericht ausgetragen. Wer die Aktenordner zu dem Fall liest, wird es so sagen müssen: Da ist ein Rechtsstreit eskaliert, ein Streit zwischen einem Geistlichen und seiner Kirche. Mit fatalen Folgen: Für Privatgutachten, für verschiedene Anwälte hat Ditterich inzwischen so viel Geld aufgebracht, dass er sich als ruiniert betrachtet. "Der finanziell Stärkere will den Schwächeren vernichten", sagt Czeizel.

Die Ungarin hat als Haushälterin bei Ditterich angefangen. Als sie nach Deutschland kam, bat sie den Pfarrer um Hilfe. Der sagte, er könnte sie als Haushälterin anstellen. Nach dem Schlaganfall 1992, nachdem der Pfarrer nur noch stundenweise arbeiten konnte, wurde sie auch seine Pflegerin. Dass sie viel mehr ist als das, deuten beide an. "Sie ist mein Schutzengel", sagt Ditterich. So möchte er das genannt wissen.

Czeizel, 60, ist diejenige, die für den Pfarrer spricht, wo er sich schwertut nach dem Schlaganfall. Und sie ist die Frau, die in seinem Namen juristische Schreiben aufsetzt. In welcher Funktion? Das ist juristisch schwer fassbar - und wer die Prozessakten liest, bekommt einen ziemlich deutlichen Eindruck davon, dass das Engagement einer Frau an der Seite des Pfarrers ein Teil des Problems sein könnte: Mit einem Geistlichen vor Gericht zu prozessieren - das ist das eine für die katholische Kirche. Mit einer Frau an dessen Seite zu streiten, offenbar etwas völlig anderes.

Die Klageerwiderung, mit der die Kirchenstiftung sämtliche Ansprüche des Pfarrers ablehnt, hebt so an: "Richtig ist, dass die Klägerin zu 2 (Susana Czeizel) von Anfang an mit in der Wohnung gewohnt hat." Deren Einzug beim Pfarrer sei aber "zu keinem Zeitpunkt vertraglich vereinbart" gewesen - "er war nur geduldet".

So oder so ähnlich findet sich das immer wieder in den Akten. Es steht da nicht: Wer ist die Frau, dass sie sich herausnimmt, für einen Geistlichen zu sprechen? Aber es ist so gemeint, glaubt die Anwältin Anja Dürer, die Ditterich vertritt. "Mit ihm allein hätte die Gegenseite wohl leichtes Spiel." Dass da aber eine Frau sich zum Sprachrohr mache, werde nicht geduldet: "Frau Czeizel ist für die Kirche ein Nullum."

Ist das der Grund für die Eskalation einer alltäglichen Auseinandersetzung? Tatsächlich beginnt alles 2008 wie ein normaler Streit zwischen Eigentümer und Mieter. Nachdem die Fenster des denkmalgeschützten Hauses ausgetauscht werden, wuchert dort der Schimmel. Die Kirchenstiftung reinigt zunächst die Wände, als es schlimmer wird, mauert man den Schimmel ein. Aber es bleibt moderig, auch wenn an der Oberfläche nichts mehr zu sehen ist. 2010 schreibt ein Arzt, der die Wohnung besucht: Diese sei "skandalös und menschenunwürdig". Aufgrund der Atemwegserkrankung des Pfarrers sei dies lebensbedrohlich. Immer wieder wird an der Wohnung ein bisschen korrigiert, grundsaniert aber wird sie nicht. Bis heute sollte man sie mit Atemschutz betreten. Aber auch so wird einem nach fünf Minuten schlecht.

Der Schimmel sei "durch unzureichendes Lüften selbst verursacht" erwidert der Anwalt der Kirchenstiftung 2010 die Klage des Pfarrers. Zudem, sagt ein Sprecher des Bistums Bambergs, habe man dem Pfarrer mehrfach angeboten, die Wohnung zu verlassen und in ein Heim zu gehen. "Leider wurde dies abgelehnt." Grundsätzlich, erklärt Bambergs Generalvikar Georg Kestel, sei das Bistum "sehr besorgt" um den Pfarrer. Alle Hilfsangebote lehne dieser ab. Man sei hilflos, zumal nicht zu erkennen sei, ob die Hilfe, die ihm zuteil werde, "wirklich im Interesse" des Geistlichen sei.

Weil dieser keine Miete mehr für die Schimmelwohnung bezahlt, ist nun eine Räumungsklage anhängig. Eine Klage gegen einen ehemaligen Vorgänger? Der jetzigen Pfarrer von St. Elisabeth, Markus Bolowich, der das Problem geerbt hat, lässt erkennen, dass ihn das alles belaste. Aber diese Klage gegen einen Pfarrer im Rollstuhl sei wohl notwendig: "Es gab einen Punkt, an dem keiner mehr zurück konnte."

Die Wohnung räumen? Susana Czeizel sagt, sie werde das nicht freiwillig machen: Die verseuchten Möbel seien Beweismittel, da werde sie keinen ran lassen. Wurde schlecht gelüftet? Darüber könne sie nur lachen: "Der Pfarrer ist ein Schlaganfallpatient, er braucht Sauerstoff, wir haben ständig gelüftet." Sie hoffe nun auf weitere Gutachten, die zeigen, dass Baumängel - undichte Außenwände - der Grund für den Schimmel sind. Warum sie nicht schon viel früher die Wohnung verlassen haben? Czeizel sagt, der Pfarrer habe ihr immer gesagt: "Morgen kommt meine Kirche und hilft." Aber es kam keiner. Inzwischen glaube er das nicht mehr, sagt sie und blickt zum Pfarrer. Der schließt die Augen und nickt.

© SZ vom 21.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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