Prozess um Inzest-Fall in Mittelfranken:Vater belastet seine Tochter

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Ein Vater aus Willmersbach soll 34 Jahre lang seine Tochter vergewaltigt und drei Kinder mit ihr gezeugt haben. Beim Prozessauftakt in Nürnberg verheddert sich der Rentner in hanebüchene sexuelle Vorstellungen - zwar räumt er den vielfachen Geschlechtsverkehr ein, sagt aber: "Die hat doch mitgemacht."

Olaf Przybilla

Am 13. Sonntag nach Trinitatis hat der Pfarrer im mittelfränkischen Willmersbach, Dietmar Kleinschroth, in seiner Predigt etliche Fragen aufgeworfen: "Geht uns als Gemeinde so etwas an? Oder ist das Privatsache? Können wir uns damit zufriedengeben, dass da halt nichts zu machen war, aussichtslos?"

Unter großem Medienandrang hat am Montag der Inzestprozess vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth gegen einen 69-Jährigen begonnen. (Foto: dpa)

Kurz zuvor war der Inzestfall von Willmersbach bekannt geworden, ein Vater soll insgesamt 34 Jahre lang seine Tochter missbraucht haben. Die meisten im Dorf ahnten das, auf der Kirchweih im Ort machte bereits der Vers "Die Kinder aus dem gelben Haus, die schaua recht wie ihr Opa aus" die Runde. Schließlich hat der Vater drei behinderte Kinder mit seiner Tochter gezeugt - ohne dass diese jemals mit einem Mann liiert gewesen war.

Den Pfarrer beschleicht deshalb ein ungutes Gefühl: "Weil niemand, und das heißt im Prinzip alle, ob Behörden, Dorfbewohner, Umgebung, Kirchengemeinde, trotz aller Ahnungen keinen Weg gefunden haben, die Situation früher zu beenden." Er frage sich insofern schon, "ob und wie wir dazu beigetragen haben".

Das fragen sich viele. Im Prozess aber, der am Montag im Nürnberger Schwurgerichtssaal 600 begonnen hat, geht es erstmal darum, was geschehen ist. "Sie räumen ein", fragt der Richter, "dass Sie Geschlechtsverkehr mit Ihrer Tochter hatten?". "Jawohl", sagt der Angeklagte. Es wird einer der wenigen gelungenen Dialoge an diesem ersten Prozesstag bleiben. Denn der 69 Jahre alte Angeklagte stammt ursprünglich aus einem Dorf in der Oberpfalz, erst später ist er nach Mittelfranken gezogen, seiner Ehefrau wegen. Er spricht einen Dialekt, den zumindest die Staatsanwältin kaum zu verstehen scheint - weshalb der Anwalt des Angeklagten in der Verhandlung auch als Dolmetscher in Erscheinung tritt.

Als noch hinderlicher erweist sich eine andere Barriere: Schon die erste Nachfrage des Richters, ob es richtig sei, dass sich der Angeklagte derzeit in der JVA aufhalte, stößt bei dem Rentner auf Unverständnis. JVA? "Justizvollzugsanstalt", übersetzt der Anwalt. Der Angeklagte zuckt die Achseln. "Gefängnis", erklärt der Anwalt. Der Angeklagte sagt nun: "Ja."

So oder so ähnlich wiederholt sich das oft. "Präservativ" versteht der Angeklagte nicht - einen "Pariser" aber, wie der Anwalt übersetzt, nein, so was habe er nie benutzt beim Verkehr mit seiner Tochter. Warum? "Hat's nicht 'braucht", sagt er. Ob es bis zum Samenerguss gekommen sei beim ersten Geschlechtsverkehr mit der Tochter, fragt der Richter. Der Anwalt erklärt den Begriff "Samenerguss". Der Angeklagte sagt: "Ja."

Im Sommer 1982 soll das dem Angeklagten zufolge gewesen sein, seine Tochter sei damals "etwa 17 Jahre" alt gewesen. Man habe sich zunächst im Wohnzimmer aufgehalten, sei dann gemeinsam ins Schlafzimmer gegangen, die Tochter soll angeblich alles freiwillig mitgemacht haben, behauptet jedenfalls der Angeklagte. Die Tochter, die sich an diesem ersten Verhandlungstag von ihrer Anwältin vertreten lässt, hat das der Polizei anders geschildert. Demnach soll sie der Vater das erste Mal im Alter von etwa 13 Jahren missbraucht haben. Danach soll er sie immer wieder mit Gewalt zum Geschlechtsverkehr gezwungen haben. "Ach was", empört sich darüber der Rentner, "die hat doch mitgemacht".

Hat seine Tochter, inzwischen 46 Jahre alt, nie einen Freund mit nach Hause gebracht? Nie, sagt der Angeklagte, "der wär' mir nicht ins Haus gekommen." Stimmt es, dass er seine Tochter nur in Begleitung nach draußen gelassen habe? "Das kann so sein." Warum? "Ja warum", antwortet er. Kann es sein, dass seine Tochter ihm einmal Schlaftabletten ins Essen gemixt habe, um sich vor weiteren Übergriffen zu schützen und er daraufhin stürzte und einen Schädelbasisbruch erlitten habe? Das mit dem Basisbruch stimme. Aber Schlaftabletten? "Kann nicht sein." Warum seine Tochter ihn plötzlich angezeigt habe, wo doch alles freiwillig war. "Weiß nicht", sagt er.

Nachdem seine Tochter den Führerschein gemacht hatte, sei man für den Beischlaf oft an den Waldrand oder Flurbereinigungswege ausgewichen, "zweimal die Woche", sagt der Rentner. Dort habe ein Jäger ihn einmal zur Rede gestellt: Ob er nun dafür schon auf Waldwege ausweichen müsse, weil er sich in Willmersbach "nicht mehr blicken lassen" könne. Da habe es richtig Ärger gegeben, sagt der Angeklagte. Als ihn mal einer am Stammtisch eines Gasthauses angegangen sei, "du treibst es mit deiner Tochter", da sei er richtig böse geworden und habe dem Mann eine Ohrfeige angedroht. Der Prozess wird am 6. Dezember fortgesetzt.

© SZ vom 29.11.2011/afis - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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