Probleme mit Fanseiten von Unternehmen:Verloren im Facebook-Universum

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Manche Seiten verschwinden plötzlich, andere geistern wie ein digitaler Zombie durchs Internet: Immer wieder haben Unternehmen Ärger mit ihrem Facebook-Auftritt. Doch wer die Verantwortlichen des Netzwerks sprechen will, erreicht kaum jemanden.

Tobias Dorfer und Melanie Staudinger

Zuerst gab es eine Fanseite, dann plötzlich keine mehr, schließlich gleich zwei und seit Freitag wieder nur eine: Die Stadt München erlebt derzeit das helle Chaos im sozialen Netzwerk Facebook. Auch manche Unternehmer sind schier am Verzweifeln: Wer nicht aufpasst, verliert die Kontrolle über seinen eigenen Facebook-Auftritt und der erhoffte Werbeeffekt ist dahin.

Daumen nach unten: Facebook macht zahlreichen Unternehmen und Usern Probleme. (Foto: AFP/Dennis Schmidt (SZ))

Doch ändern lässt sich das nicht so leicht. Die direkte Kommunikation mit dem sozialen Netzwerk ist so gut wie unmöglich - die deutsche Niederlassung in Hamburg praktisch nicht erreichbar.

Beispiel München: Wer in der Suchmaske Berlin oder Hamburg eingibt, gelangt schnell zu den Fanseiten der Städte. Bei München funktioniert das nicht. "Facebook hat uns mitgeteilt, dass es ihnen leid tue und sie daran arbeiten", sagt Lajos Csery, der Geschäftsführer der Portal München Betriebs-GmbH, die den Internetauftritt der Stadt betreut und damit auch die Facebook-Seite. Im Fall der Landeshauptstadt war die Seite plötzlich abgeschaltet, ohne eine Nachricht.

Erst nach langer Recherche und über viele Umwege gelang es Csery, einen Facebook-Mitarbeiter ans Telefon zu bekommen. Der verwies auf die neuen Richtlinien, denen zufolge Fanseiten nicht mehr nach Städten benannt werden dürften, versprach aber, dass alle 400.000 München-Fans zum neuen Auftritt "München Portal" automatisch umgezogen würden. Darauf wartet Csery bis heute.

Den direkten Draht via Internet zu seinen Kunden - das wollte auch Franz Kässer, der in Garmisch-Partenkirchen eine Chocolaterie betreibt. Sein Bekannter Matias Roskos richtete ihm 2010 eine Seite bei Facebook ein. Kässer nutzte den Account zunächst nicht, prompt wurde der Zugang gesperrt. "Plötzlich hatte die Fanseite keinen Administrator mehr", sagt Roskos, der dem Freund im Herbst 2011 einen neuen Account und eine zweite Fanseite anlegte. Die Auftritte sollten auf Vorschlag des Facebook-Systems zusammengelegt werden.

Roskos stimmte zu und hörte fortan nichts mehr. E-Mails wurden nicht beantwortet, und so irrt die erste Seite nun wie ein digitaler Zombie im Netz herum: nicht zu kontrollieren, aber für jeden sichtbar. Die Pinnwand ist für alle geöffnet.

Der hauptberufliche Social-Media-Berater Roskos kann das Facebook-Team nur über die Internetseite kontaktieren. Er mutmaßt, dass es dort nicht genügend Mitarbeiter gibt: "Seiten von kleinen Unternehmern fallen dabei runter."

Ärger mit Facebook hat auch die Süddeutsche Zeitung: Seit einigen Jahren ist sie unter "sueddeutsche.de" im Netzwerk vertreten. Da die meisten Leser keinen Unterschied zwischen digitalem Angebot und gedruckter Zeitung machen, sollte die Seite in "Süddeutsche Zeitung" umbenannt werden.

Wie viele Nutzer die Sozialen Netzwerke haben, sehen Sie in dieser Grafik - ein Klick genügt. (Foto: SZ-Grafik, Hanna Eiden)

Der Name war allerdings schon vergeben, da ein Leser eine inoffizielle Fanseite gegründet hatte. Die SZ bekam von Facebook zwar das Recht, diese Seite zu übernehmen, die "sueddeutsche.de"-Seite durfte jedoch nicht in die neue überführt werden. Es könne sein, hieß es bei Facebook, dass ein Nutzer zwar den Online-Auftritt möge, nicht aber die Zeitung. Derzeit ist die SZ also doppelt auf Facebook vertreten.

Niko Härting wundern derartige Berichte nicht. "Facebook kann gar nicht so schnell wachsen, wie die Firma groß wird", sagt Härting, einer der führenden Anwälte für Internetrecht aus Berlin. Er sei sich jedoch sicher, dass der Konzern, ähnlich wie Google, in Zukunft auch in Deutschland ein klares Gesicht zeigen werde. Derzeit wird das Team aufgestockt. Doch ob das die Kommunikation vereinfachen wird? Grundsätzlich, sagt Härting, hätten die User bei einem Gratis-Angebot wie Facebook kein Anrecht auf eine spezielle Seite.

Ein Blick in die Nutzerbedingungen des Netzwerks zeigt, wer im Verhältnis zwischen Facebook und seinen Usern die Hosen anhat. "Du wirst..." oder "Du verstehst, dass wir..." - so beginnen die Sätze häufig. Ein Recht am eigenen Nutzernamen wird nicht gewährt: "Wenn du einen Nutzernamen für dein Konto auswählst, behalten wir uns das Recht vor, diesen zu entfernen oder zurückzufordern, sollten wir dies als notwendig erachten."

In der Kritik stehen auch die Datenschutzbedingungen. Facebook darf Fotos und Videos der User nutzen. Davor warnen Datenschützer. Thomas Hoeren, Professor für Informationsrecht an der Universität Münster, schrieb in einem Beitrag für den Deutschen Anwalt-Spiegel (Ausgabe 12/2011) gar: "Der Rat des Juristen kann nur sein, Facebook zu meiden. Unternehmen haben dort nichts zu suchen; denn ihre Geschäftsinteressen beißen sich regelmäßig mit den Besonderheiten des Web 2.0."

Münchens Stadtportal-Chef Csery will sich trotz des Ärgers aber nicht aus der digitalen Welt von Facebook zurückziehen: "Wir erreichen dort mehr Menschen als bei Twitter, Google Plus und YouTube zusammen." Vom sozialen Netzwerk habe er bisher nur erfahren, dass es technische Probleme gebe, die bald behoben sein würden.

Mehr verrät eine Deutschland-Sprecherin von Facebook auf Anfrage der SZ auch nicht. Sie wisse nicht einmal, dass es zwei München-Seiten gebe, sagt sie. Doch kurz nach dem Gespräch ist die zweite Seite nicht mehr auffindbar. "Ich verstehe nicht, warum die deutsche Zweigstelle nicht auch für die Schwierigkeiten in Deutschland verantwortlich ist", sagt Csery.

Matias Roskos hat den Kampf aufgegeben. Die zwei Facebook-Fanseiten der Chocolaterie Amelie wird es weiter geben. "Mir ist es zu blöd, ständig gegen Türen zu rennen, die sich nicht öffnen."

© SZ vom 03.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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