Private Sicherheitsdienste:Sicherheitsstufe eins in der Provinz

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Zerstörte Parkbänke, Blumenrabatten und Straßenlaternen - ländliche Kommunen klagen über zunehmende Gewalt und den Abzug von Polizeikräften.

Katja Auer und Heiner Effern

Vandalismus, Pöbeleien und öffentliche Saufgelage machen kleineren Städten auf dem Land zunehmend zu schaffen. Die oberbayerische Kurstadt Bad Aibling zieht aus der offenkundigen Machtlosigkeit der Polizei Konsequenzen: Seit etwa vier Wochen patrouilliert in der Innenstadt täglich ein privater Sicherheitsdienst.

In ländlichen Kommunen sorgen immer häufiger private Sicherheitsdienste für die Ruhe und Ordnung. (Archivbild) (Foto: Foto: AP)

Auch die benachbarte Stadt Kolbermoor erwägt nach einem Versuch im vergangenen Jahr für 2008 wieder das Engagement privater Wachleute. Beide Städte haben zudem strenge Satzungen beschlossen, die das Trinken von Alkohol in der Öffentlichkeit verbieten.

"Natürlich ist die Sicherheit eigentlich eine Aufgabe des Staates. Aber die Stadtpolizei gibt es nicht mehr, und der Personalmangel tut sein Übriges", sagt Bad Aiblings Bürgermeister Felix Schwaller (CSU). "Lamentieren hilft nichts, da muss sich eine Kommune selbst helfen."

Kaputte Parkbänke, zerstörte Blumenrabatten, zerbrochene Straßenlaternen, Feuer im Kurparkgebäude, Pöbeleien - so liest sich ein Auszug aus den Polizeiberichten über die meist betrunkenen Jugendlichen in der 18.000-Einwohner-Stadt. Allein dieses Jahr schätzt der Bürgermeister den Schaden auf bis zu 35.000 Euro.

Den Ausschlag für das Mandat an den Sicherheitsdienst gab ein Vorfall nach dem Frühlingsfest: Ein Mann wurde von Jugendlichen verfolgt und brutal zusammengeschlagen, ohne nachvollziehbaren Grund. "Früher hat man aufgehört zu treten, wenn einer am Boden lag, heute geht es richtig los", sagt Schwaller.

Der Bürgermeister macht der Polizei keine Vorwürfe, sondern sucht die Zusammenarbeit. "Unser Sicherheitsdienst spürt Probleme auf und meldet die der Polizei." Sein Kollege aus Kolbermoor, Peter Kloo (SPD), verzeichnete durch den Sicherheitsdienst im Jahr 2006 einen Rückgang der Probleme, fühlte sich allerdings vom Innenministerium "sehr kritisch beäugt".

Dort betont man zwar nach wie vor, dass die hoheitsrechtlichen Aufgaben allein bei der Polizei lägen, hält aber den Einsatz von Sicherheitsdiensten in Einzelfällen für akzeptabel. "Die Zeit ist fortgeschritten", sagt ein Ministeriumssprecher.

Noch im vergangenen Jahr trieb das Engagement eines Sicherheitsdienstes in Schweinfurt Zornesröte in das Gesicht von Innenminister Günther Beckstein. Das sei ein Sonderfall gewesen, heißt es heute. Und: Die Polizei sei in ihrer personellen Ausstattung durchaus in der Lage, die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten.

Daran zweifelt Roland Schmidt, Sprecher des Arbeitskreises Polizei in der Oberbayern-SPD. "Wenn es immer heißt, noch nie habe es so viel Polizei gegeben wie jetzt, dann stimmt das nicht. Weniger Beamte arbeiten einfach mehr Stunden. Und gerade in Oberbayern gilt: Bei starkem Zuzug und gleichbleibender personeller Ausstattung wird das Verhältnis immer schlechter."

Harald Schneider, Landessprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP), klagt ebenfalls: "Wir werden in der Fläche ausgedünnt." Die Einstellungszahlen seien gegenüber den Polizisten im Rentenalter zu niedrig, so könne man eben nicht mehr überall präsent sein.

Die Bürgermeister in Städten wie Kolbermoor oder Bad Aibling, die in Kriminalitätsstatistiken nicht mehr auffallen als andere Kommunen, sehen besorgt, dass sie nur Symptome behandeln. Jugendlichen, die herumlungern und zum Zeitvertreib hochprozentigen Alkohol konsumieren, fehlt es meist an Perspektiven.

Trotzdem sehen sich die Politiker gezwungen, für die öffentliche Sicherheit etwas zu unternehmen. Vor allem bei Volksfesten würden immer mehr Sicherheitsdienste eingesetzt, berichtet Herrmann Vogelgsang, Sprecher des Landesverbands der Deutschen Polizeigewerkschaft. "Da spielen zwei Komponenten zusammen", sagt Vogelgsang, "weniger Polizei und mehr Gewalt."

Wäre die Polizei präsenter, würde weniger passieren, davon ist er überzeugt. Denn: "Ein Polizist, der sichtbar ist, schreckt ab." Sind die Beamten aber nachts anderweit gebunden, müssen im Zweifelsfall private Sicherheitsleute ran. "Wir müssen den Wunsch der Bürger nach mehr Sicherheit ernst nehmen", sagt Bürgermeister Schwaller.

Der Polizistenmangel hat in manchen Gemeinden noch andere Auswirkungen. "Früher hat die Polizei Prozessionen und Demonstrationen abgesichert, heute muss das die Feuerwehr ehrenamtlich machen", sagt Gemeindetagssprecher Wilfried Schober.

Als die Vogelgrippe kürzlich wieder ausgebrochen sei, hätten Feuerwehrler tagelang die Sicherheitszonen um die Betriebe absperren müssen. "Die Verlagerung von originär staatlichen Pflichtaufgaben auf die Kommunen" sei das. Und diese führe letztlich zu einer Aushöhlung des Ehrenamts.

© SZ vom 6.10.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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