Präzedenzfall vor Landgericht Nürnberg:Traumatisierter Lokführer bekommt Schmerzensgeld

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Vor zwei Jahren stürzte sich ein Student vor seinen Zug. Der Lokführer leidet seitdem unter Albträumen - und hat deshalb die Eltern des Toten auf Schmerzensgeld verklagt. Jetzt einigten sich die Parteien auf einen Vergleich.

Im Prozess um Schmerzensgeld für einen Lokführer nach dem Suizid eines 20 Jahre alten Studenten haben sich die streitenden Parteien auf einen außergerichtlichen Vergleich verständigt. Die als Erben belangten Eltern des jungen Mannes hätten sich zu einer Geldzahlung an den Lokführer bereiterklärt, teilte ein Sprecher des Landgerichts Nürnberg-Fürth mit.

Ein Lokführer soll Schmerzensgeld von den Angehörigen eines jungen Mannes erhalten, der sich im Januar 2009 vor dessen Zug geworfen hat. (Foto: dapd)

Über die Höhe der Summe hätten die beiden Parteien allerdings Stillschweigen vereinbart. In dem eintägigen Prozess Ende Juli hatte das Gericht in seinem Vergleichsvorschlag einen Betrag zwischen 3000 und 5000 Euro in die Diskussion gebracht.

Der Student hatte sich in der Nacht zum 5. Januar 2009 auf der Bahnstrecke zwischen Nürnberg und Lauf (Landkreis Nürnberger Land) vor einen Zug geworfen. Der Lokführer hatte daraufhin die Erben des Toten auf Zahlung von 15.000 Euro Schmerzensgeld verklagt. Der Lokführer leide seitdem unter Alpträumen und starken Kopfschmerzen, hatte dessen Anwalt die Klage begründet.

Formell geklagt hatte allerdings dessen Ehefrau, an die dieser seine Schmerzensgeldforderung abgetreten hatte. Dank dieses juristischen Kniffs sollte der Lokführer als Zeuge in eigener Sache aussagen können. In dem eintägigen Prozess hatte Zivilrichterin Jana Lux bereits angedeutet, dass die Schmerzensgeldforderung von 15.000 Euro chancenlos sei. Denkbar sei allenfalls ein finanzieller Ausgleich zwischen 3000 und 5000 Euro.

Zugleich hatte sie einen Vergleich angeregt. Andernfalls würde der Kläger das Risiko eingehen, am Ende leer auszugehen. Der Lokführer erklärte sich daraufhin mit Vergleichsverhandlungen einverstanden: "Ich habe keinen Bock mehr, das Ganze noch mal durchzukauen", hatte er vor Gericht betont.

Der Vergleich könnte Signalwirkung für andere Lokführer haben. Denn nach Erkenntnissen des Frankfurter Anwalts Andreas Wirz ist bisher kaum ein Lokführer gegen Angehörige von Selbstmördern vor Gericht gezogen. Das habe mehrere Gründe: Schlügen die Angehörigen von Selbstmördern ihr Erbe frühzeitig aus, bleibe niemand zurück, der für die Taten des Gestorbenen hafte. Zudem empfänden es viele Lokführer als unmoralisch, die Angehörigen von Selbstmördern zu verklagen. In juristischer Hinsicht könnten die Erben allerdings für das Verhalten des Verstorbenen verantwortlich gemacht werden, gab der Anwalt zu bedenken.

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