Politikum:Quatschi quatschi in der CSU

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Ministerpräsident Seehofer rüffelt Fraktionschef Kreuzer. Der hat deutlich gemacht, dass die Fraktion nicht alles schluckt, was Seehofer ihr hinlegt

Von Lisa Schnell

Zwei Eigenschaften prägen den Politikstil von Horst Seehofer. Erstens: Er will als großer Volkskoalitionär gesehen werden. À la Franz Josef Strauß beansprucht er für sich, dem Volk auf's Maul zu schauen, seine Stimmungen aufzuspüren und im richtigen Moment danach zu handeln. Nicht selten widerspricht das freilich dem, was er selbst noch kurz davor vertreten hat. Und das führt zu Zweitens: Seehofer braucht immer eine Hintertür, durch die er schlüpfen kann. Er lässt für sich alle wichtigen Fragen offen. Wer weiß, vielleicht dreht sich ja die Stimmung im Land. Da muss er agil sein, um sich mitzudrehen.

Einer hat es nun geschafft, kräftig gegen beide Säulen des Seehoferischen Machttempels zu schlagen, und das kurz hintereinander. Am Montag verkündete CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer, das G9 sei in Bayern endgültig vom Tisch. Seehofer war nicht amused. Endgültig, definitiv, absolut, damit lässt sich kein Wendetanz aufführen. Gleich am nächsten Tag der nächste Aufschlag von Kreuzer, diesmal zur dritten Startbahn am Münchner Flughafen: "In dem Moment, wo der erste Bagger rollt, ist die Diskussion beendet." Eine CSU, die eine Koalition mit dem Bürger ausruft, und dann ist der am Ende doch egal? Das war nicht nur eine Meinungsverschiedenheit, das rührte an den Kern von Seehofers Glaubwürdigkeit. Entsprechend scharf rüffelte er Kreuzer, ausgerechnet in seiner Heimatzeitung der Augsburger Allgemeinen. Die Aussage sei "schädlich", unnötiges "quatschi quatschi".

Für Kreuzer war sie mehr als nötig. Sein Job ist es, die Interessen der Fraktion zu vertreten. Als die Flüchtlingsdebatte alles überlagerte, stand sie geschlossen hinter Seehofer. Jetzt soll Kreuzer wieder deutlich machen, dass die Fraktion nicht alles schluckt, was Seehofer ihr hinlegt. Auch seine Entscheidung für einen Bürgerentscheid zum Riedberger Horn löst in der Partei nicht nur Jubelrufe aus. Ob Kreuzer diese Kritik nach außen trägt, muss er sich gut überlegen. Seehofer hat jetzt schon die schlimmste Drohung rausgeholt, die er in petto hat: Er lasse es vollkommen offen, wie lange seine Amtszeit noch geht, merkte er am Rande des Flughafenstreits an. Wenn es nötig ist, dann macht eben auch er gerne mal "quatschi quatschi".

© SZ vom 15.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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