Politikum:Eine ganz eigene Geschichte

Lesezeit: 1 min

Sie CSU im Landtag will einer Resolution zum Völkermord an den Armeniern nicht zustimmen. Die Begründung ist seltsam

Von Lisa Schnell

Fasst der Landtag mal einen einstimmigen Beschluss, dann geht es immer um Großes, Symbolträchtiges, so wie etwa die Stärkung jüdischen Lebens in Bayern. Niemand, der aus der deutschen Geschichte gelernt hat, kann dagegen einen Einwand erheben. Auch am Donnerstag kam es wieder zu so einer gemeinsamen Resolution aller Parteien: Der Landtag verurteilte Morddrohungen gegen Bundestagsabgeordnete nach ihrer Armenien-Resolution, wie sie beispielsweise Cem Özdemir, Bundesvorsitzender der Grünen, erhalten hat. Solidarität für bedrohte Abgeordnete, so weit reichte die Einigkeit noch unter den Parteien. Doch zum Bekenntnis zur Armenienresolution selbst, dazu konnte sich die CSU im Landtag nicht durchringen.

Im Resolutionsentwurf der SPD stand anfangs noch, dass der Landtag die Armenienresolution des Bundestags begrüßt und damit die Verbrechen der jungtürkischen Regierung vor über 100 Jahren an den Armeniern als Völkermord verurteilt. Die Grünen hatten das schon 2001 gefordert. Auch Historiker und zahlreiche andere Parlamente - etwa das französische - waren bereits vor mehr als zehn Jahren zu diesem Schluss gekommen. Deutschland ist mit dieser Erkenntnis also nicht gerade an der Spitze der Aufklärungsbewegung. Die CSU in Bayern aber wollte den Völkermord an den Armeniern partout nicht erwähnt wissen. Fraktionsvorsitzender Thomas Kreuzer begründete das so: "Es ist nicht die Aufgabe der Länderparlamente, die Außenpolitik der Bundesregierung zu kommentieren." Das ist eine ganz neue Form der Zurückhaltung, denn sonst gibt die CSU ihren Senf auch dann dazu, wenn sie eigentlich nichts zu sagen hat.

In kleinem Kreis soll sich Kreuzer dann zu einem anderen pikanten Punkt geäußert haben. Die Mitschuld des Deutschen Kaiserreichs, wie sie die Armenienresolution benennt, könne er nicht erkennen, soll er gesagt haben. Kreuzer will das nicht bestätigen, sein Parteikollege Josef Zellmeier ist da offener: Dass die Deutschen "Mittäter" gewesen seien, sehe er nicht so, genau wie der Rest der Fraktion. In Bayern scheinen sie damit eine ganz besondere Geschichtsauffassung zu haben. Ihre CSU-Kollegen in Berlin stimmten der Resolution zu.

© SZ vom 08.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: