Pflegerin:Christina Chen, 31

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Christina Chen ist tätig in einer städtischen Klinik. (Foto: privat)

Protokoll von Lisa Schnell

Ich bin seit 2009 Pflegerin, gerade in einem städtischen Krankenhaus in Oberbayern. Es wurde immer mehr Arbeit: mehr Patienten, weniger Zeit. Teilweise haben wir in einem Bett in einer Woche drei Patienten. Alle Untersuchungen pressen wir in zwei Tage. Aber klar: Es ist ein rentables Geschäft. Für uns ist es oft belastend. Letzten Montag hatte ich so einen Dienst. Wir waren zwei Schwestern im Spätdienst. Mehrere Patienten hatten erhöhten Blutdruck, in einem Fall bestand der Verdacht auf eine Sepsis - ein Krankheitsbild, das als Notfall gewertet werden kann. Gleichzeitig stürzte ein anderer Patient, der eine Chemotherapie am Arm hatte. Es ist schwierig, wenn einem alles in den Ohren schreit: die Alarmglocke, der Arzt, der Patient mit dem Blutdruck, der Mann, der am Boden liegt. In so einem Fall die richtigen Prioritäten zu setzen, erfordert sehr viel Professionalität. Wir haben uns um den Mann mit der Chemo gekümmert, die anderen waren dadurch gesundheitlich gefährdet. Es ist niemand zu Schaden gekommen, aber es hätte sein können. In einem Fall wie diesem schreibe ich eine Überlastungsanzeige, die einzige Möglichkeit, mich rechtlich abzusichern. Es sind nur vereinzelte Dienste, in denen so etwas passiert, aber es tut mir jedes Mal weh. Alltag dagegen ist, dass wir für Dinge keine Zeit haben, die zwar nicht lebensnotwendig sind, aber eigentlich zu einer guten Pflege gehören. Patienten, die im Sterben liegen etwa, kann ich meistens nicht die Hand halten, weil ich keine Zeit habe. Oft mache ich keine Pause. Wenn es schlimm ist, esse und trinke ich nichts, wenn es ganz schlimm ist, gehe ich nicht auf die Toilette. Schon klar, dass viele Schwestern sagen: nein, mach ich nicht mehr. Viele ärgern sich dann, weil sie sich fragen: Warum muss ich in die Teilzeit gehen und weniger verdienen, später weniger Rente bekommen, wenn ich gar nichts für das Problem kann?

© SZ vom 13.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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