Passau: Überfall auf Polizist:Verhängnisvolle Ruhepause

Lesezeit: 2 min

Ein Jahr nach dem Überfall auf eine Passauer Polizeiinspektion sind pikante Details bekannt geworden: Ein Betrunkener schießt einen Beamten nieder. Seine Kollegen bekommen nichts mit, weil sie schlafen.

Max Hägler

Ein betrunkener Mann kommt in eine Polizeiwache, überwältigt den diensthabenden Beamten, schießt diesem mit der dessen eigener Dienstwaffe ins Gesicht. Was nach seichtem US-Krimi klingt, geschah tatsächlich: vor einem Jahr in der Passauer Polizeiinspektion. Am kommenden Dienstag beginnt am Landgericht Passau der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter Denis B.

Polizeidirektion in Passau: Ein betrunkener Mann überwältigt den diensthabenden Polizisten, schießt ihm mit dessen eigener Dienstwaffe ins Gesicht. Nächste Woche beginnt am Landgericht Passau der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter. (Foto: dpa)

Neben dem juristischen Vorwurf des Mordversuchs wird dabei auch zu klären sein, wie es überhaupt zu dem Überfall kommen konnte und wieso die Kollegen des 49-jährigen Opfers nichts davon bemerkt haben. Denn es waren weitere Polizisten in der Wache, allerdings im sogenannten Ruheraum. So bekamen sie wohl nichts mit von dem Geschehen mit, das sich in der Nacht zum 25. September 2009 abgespielt hat.

Zwischen zwei und drei Uhr morgens kam der 27-jährige Denis B. in die Inspektion an der Nibelungenstraße. Der Mann, ein in Kasachstan geborener deutscher Staatsangehöriger, gab an, Probleme mit seiner Frau gehabt zu haben, die Polizei solle sie jetzt suchen. Dabei kam es offenbar zu einem Gerangel zwischen dem Angeklagten und dem Beamten.

Auf einer Kellertreppe stürzte der Polizist. Der betrunkene B. ergriff dessen Dienstwaffe und schoss dem Beamten aus nächster Nähe ins Gesicht. Die Kugel drang an der Nase ein, durchschlug den Kiefer und blieb im Bauch stecken. Trotz seiner Verletzung gelang dem Polizisten die Flucht auf den Parkplatz. Dort zwang ihn B., zwischen den Autos zu warten, bis inzwischen alarmierte Polizeistreifen eingetroffen waren. Zwei Beamte soll der Angeklagte ebenfalls unter Feuer genommen haben. Als die Pistole nur noch klickte, erkannten die Polizisten ihre Chance und überwältigten B. Das Opfer meidet bis heute den Tatort. Im Passauer Stadtmagazin Bürgerblick spricht der traumatisierte Beamte von einer "Hinrichtung".

Landgerichtspräsident Michael Huber bestätigte der SZ, dass zur Tatzeit mehrere Beamte im Gebäude gewesen seien. Offenbar schliefen die Polizisten, denn die niederbayerische Notrufzentrale wurde von einer Anruferin alarmiert. Die Frau war von merkwürdigen Geräuschen und Gestalten auf dem Gelände der benachbarten Polizeiinspektion aufgeschreckt worden. Etwa "gleichzeitig" mit dieser Meldung, die an die Streifenwagen-Besatzungen in Passau weitergegeben wurde, sei eine Beamtin im Ruheraum hochgeschreckt, sagt Huber. Sie habe Geräusche gehört, einen fallenden Stuhl und einen Schuss. Die Rolle der ruhenden Polizisten werde nicht vertuscht, betonte Huber. Alle Beamten sind als Zeugen geladen, um das Geschehen im gesamten Haus aufzuklären.

Das Polizeipräsidium Niederbayern gesteht ein, dass man die Auszeit der Kollegen im Nachhinein kritisch sehe. Allerdings sei ein "Ruhen" während der Nachtdienste ausdrücklich nicht verboten, sagt Polizeisprecher Klaus Pickel. Die zwölf Stunden langen Schichten seien beschwerlich, für die Bevölkerung sei es "ein Vorteil", wenn Polizisten ausgeruht im Einsatz seien. Eine Vorschrift, wie viele Beamte im Dienstraum anwesend sein müssen, gibt es nicht. "Der Kollege hat sich für den raschen Bürgerservice entschieden, ohne andere Polizisten herbeizuholen", sagt Pickel. Dass die Situation später so eskaliert, sei unvorhersehbar gewesen. Ganz ausschließen könne man dies allerdings nie. "Der Job", so Polizeisprecher Pickel, "ist gefährlich."

© SZ vom 15.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: