Oper in Aldersbach:Pfützengold

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Thomas E. Bauer inszeniert Richard Wagner auf der Seebühne Aldersbach, in seiner ihm eigenen gspinnerten Art: Der Rhein ist 90 Zentimeter tief, statt Kulissen gibt es Projektionen, und Baumaschinen spielen eine tragende Rolle

Von Sabine Reithmaier, Aldersbach

Eigentlich hatte er "Rheingold" schon für 2014 geplant. Aber selbst einem Thomas E. Bauer gelingt es nicht immer, alles genau zu dem Zeitpunkt zu realisieren, den er sich vorgenommen hat. Der Intendant des Blaibacher Konzerthauses hatte schon 2012 potenzielle Geldgeber mit der Behauptung fasziniert, er würde in Niederbayern Wagners Oper aufführen. "Du musst eben immer eine Spur exotischer, irritierender sein als die anderen", sagt der Sänger und hüpft auf den Steg, der die neue Seebühne in Aldersbach mit dem Festland verbindet. Hier wird er demnächst stehen und den Wotan singen, jenen germanischen Gott, der die Weltmacht für sich beansprucht und sich von zwei Riesen eine Burg bauen lässt, von der er künftig zu herrschen gedenkt.

In Vor-Blaibach-Zeiten dachten manche Menschen ja noch, der Sänger spinne einfach. Aber inzwischen steht das avantgardistische Konzerthaus in dem Dorf, hat Architekturpreise erhalten und ist unter die zehn weltweit besten Konzertsäle gewählt worden. "Der Monolith hat eingeschlagen", sagt Bauer und lächelt hintersinnig. Jetzt weiß jeder, dass er seine Spinnereien auch umsetzt. Das hat ihm viel Respekt eingebracht, wenn es auch immer noch Menschen gibt, denen es lieber wäre, Bauer würde sich aufs Singen beschränken und nicht überall seine Meinung kundtun, egal ob es sich um den künftigen Münchner oder den in noch fernerer Zukunft liegenden Passauer Konzertsaal handelt. Aber es mangelt nicht an Kommunen, die sich einen Intendanten wie Bauer als Impulsgeber für ihre lahmenden Festivals wünschen. "Doch, es gab einige Anfragen", sagt Bauer, möchte dann aber lieber über sein "Rheingold" reden. Aber erstaunlich wäre es nicht, wenn er bald in Passau eingreifen würde. "Reine Geschmackssache", so das diesjährige Motto der Europäischen Wochen, ist jedenfalls nicht sein Ding. "Mit Kunst kann man die Gesellschaft voranbringen, davon bin ich überzeugt."

Die Riesen Fasold und Fafner singen auf Gabelstaplern, die Göttinnen hängen am Kran

2012 liebäugelte er übrigens noch damit, Wagners Oper, die "im und am Rhein in mythischer Vorzeit" spielt, auf dem wenig mythischen Campus der Hochschule Deggendorf aufzuführen. Jetzt ist es Aldersbach geworden, ein inspirierender Ort, allein des ehemaligen Zisterzienserklosters und der Marienkirche wegen. Der Landesausstellung "Bier in Bayern" ist die neue Seebühne zu verdanken, ein idealer Schauplatz für "Rheingold".

Der Begriff Seebühne weckt vielleicht ein bisschen falsche Vorstellungen. Das Wasser vor der Bühne ist gerade mal 90 Zentimeter tief. Passieren kann den Rheintöchtern also nicht viel, und der gierige Zwerg Alberich dürfte keine größeren Schwierigkeiten haben, sich das Gold zu holen. Härter gefordert werden die Riesen Fasolt und Fafner, die auf Gabelstaplern singen müssen, während die Göttinnen schwindelfrei sein müssen: Sie schweben auf einem Kran ein. Jede Menge Baumaschinen, aber das passt gut. Schließlich ist Walhall ein ehrgeiziges Bauprojekt.

Thomas E. Bauer singt den "Wotan". (Foto: Hartmut Pöstges)

Wie schafft Bauer es eigentlich, nebenher auch noch zu singen? Zeitplanung ist das halbe Leben!

Kulissen gibt es keine, wozu auch, wenn Lillevan zur Stelle ist, der berühmte Berliner Video- und Medienkünstler, der mit seinen Projektionen das Gemäuer des ehemaligen Klosters in Walhall verwandelt und nebenbei auch noch die Maschinen koordiniert. "Wir bezeichnen unsere Aufführung als szenische Installation", sagt Bauer, verlässt den "Rhein" und steigt die ersten Sitzreihen hoch. Hier in der dritten Reihe wird er am Anfang der zweiten Szene schlafen. Jetzt redet er über die Bauunternehmer, die ihm als Sponsoren Hebebühnen und Kräne zur Verfügung stellen. "Hier auf dem Land sind die Wege kurz", sagt er. Das wisse er als Qualität zu schätzen. Die Bühne, 22 Meter breit und acht Meter hoch, bietet genügend Platz für die 100 Musiker der "Beethoven Akademie Krakau". Dirigieren wird sie der Kölner Andreas Spering, eigentlich ein Spezialist für Alte Musik. Wagner stellt für ihn eine Premiere dar, Bariton Bauer hat dagegen den Wotan schon einmal in Dijon gesungen.

Natürlich ist die Oper in Aldersbach nicht, wie sonst, das Vorspiel zum "Ring der Nibelungen", sondern sie läutet das Kulturwald-Festival ein, das im September zum neunten Mal stattfindet. 2007 riefen Bauer und die Pianistin Uta Hielscher das Festival ins Leben, das mit ungewöhnlichen Spielorten im Bayerischen Wald schnell ein Stammpublikum eroberte und letztlich der Nukleus war, aus dem sich alles andere, auch Blaibach, entwickelte.

Erstaunlich, was Bauer alles bewerkstelligt, ohne seinen Hauptberuf Sänger zu vernachlässigen. Hat er nicht Angst, sich zu übernehmen? Er zuckt die Schultern. "Ich bin ein neurotischer Zeitplaner", sagt er und skizziert sein Modell der Zeiteinteilung. Erklärt, dass er am Anfang eines Projekts wahnsinnig Gas gebe, um alles festzuzurren. Die Programme seien die "Kindergeburtstagsseite". Aufwendig sei es, Politiker, Sponsoren und Konzertbesucher an sich zu binden. "Da kommt es oft auf Kleinigkeiten an." Bis jetzt hat er noch keine einzige vergessen.

Richard Wagner, Das Rheingold, 12./13./14. August, 20 Uhr, Seebühne Aldersbach

© SZ vom 04.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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