Öko-Partei im Aufschwung:Grüne Welle

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Auch in Bayern wächst die Zustimmung für die Öko-Partei. Doch die damit verbundenen Erwartungen bereiten einigen Mitgliedern Sorge. Was sind die Gründe für den Erfolg?

Katja Auer

Zurzeit gibt es nur eine Partei, die sich im steten Aufwind befindet: die Grünen. In der jüngsten Umfrage stehen sie in der Wählergunst bundesweit bei 19 Prozent. Bislang ihr höchster Wert. Und auch in Bayern mehrt sich der Zuspruch. Warum eigentlich?

Grünen- Bundesvorsitzende Claudia Roth - ihre Partei ist im Aufschwung. (Foto: dpa)

Die Köpfe:

Da ist natürlich einer, Sepp Daxenberger. Der Biobauer aus Waging am See steht wie kein anderer dafür, dass die Grünen auch auf dem Land angekommen sind. Er erreicht Beliebtheitswerte, wie sie früher nur CSU-Politiker hatten. Es war ein schwerer Schlag für die Partei, dass Daxenberger sein Amt als Fraktionschef im Landtag wegen seiner Krebserkrankung aufgeben musste. So viele bekannte Gesichter haben die bayerischen Grünen nicht. Die Prominenteste ist in Berlin: Claudia Roth, die Bundesvorsitzende aus Schwaben. Sie ist derart etabliert, dass sie als einzige Grüne sogar eine feste Größe im Singspiel auf dem Nockherberg ist.

Die einen halten sie für eine unerträgliche Nervensäge mit allzu betroffenem Getue, für die anderen ist sie einfach ein Original. So oder so: Bekannt ist sie nicht nur wegen der bunten Klamotten und der ebenfalls gerne recht farbigen Frisur. Eine Rothaarige gibt es auch in Bayern, mit ebenfalls recht schlagfertigem Mundwerk: Margarete Bause, die Fraktionschefin aus München, die vor allem für die Grünen als Großstadtpartei steht.

Die Landesvorsitzende Theresa Schopper ist schon weniger bekannt, ebenso Landeschef Dieter Janecek. Der gilt eher als strategischer Kopf und wirkt in die Partei hinein. Er hat sich unter anderem eine flächendeckende Vernetzung der Grünen auf dem Land vorgenommen. Unter den Abgeordneten gibt es einige profilierte Grüne, die aber in der Öffentlichkeit recht wenig wahrgenommen werden.

Die Themen:

Bayerns Grüne fischen längst im bürgerlichen Lager. Als wertkonservative Partei, die sich für die Bewahrung der Schöpfung und den Erhalt der bäuerlichen Landwirtschaft einsetzt, sind sie inzwischen für viele traditionell gesinnte Bayern eine Alternative zur CSU geworden. Zudem gelten die bayerischen Grünen als deutlich bodenständiger als die Bundespartei. In Sachen Umwelt- und Klimaschutz trauen ihnen die Menschen immer noch am meisten zu. Klassische grüne Themen wie der Kampf gegen die Atomkraft, die Förderung von regenerativen Energien oder der Widerstand gegen die grüne Gentechnik werden deshalb weiter hochgehalten. CSU und SPD reagierten schon. Im vergangenen Jahr erklärten beide Parteien, ökologischer werden zu wollen. Außerdem stehen die Grünen für Bürgerrechte sowie eine liberale Asylpolitik und kritisieren die bayerischen Bildungspolitik als ungerecht. Unter anderem dafür schätzen sie ihre Stammwähler, die jungen, gut gebildeten Akademiker in den Städten. In letzter Zeit machten die Grünen als Landesbank-Aufklärer auf sich aufmerksam, vor allem der Abgeordnete Eike Hallitzky punktete als unaufgeregter und gut informierter Fachmann. Auch als Olympia-Gegner sind die Grünen, die meisten zumindest, derzeit sehr aktiv.

Das Dilemma:

Der massive Auftrieb, den die Grünen zurzeit verspüren, ist zugleich ihr Problem - der Erwartungsdruck steigt. Tatsächlich aber gibt es keine aktuellen Zahlen für Bayern. Zuletzt standen sie im Januar bei 15 Prozent, ein Rekordwert. Und die Stimmung ist ungebrochen positiv, der Bundestrend sah die Grünen zuletzt bei 19 Prozent. Dass dies aber noch lange keine Wählerstimmen sind, wissen die Grünen selbst. Und warnen deshalb vor zu viel Euphorie. 9,4 Prozent hatten sie bei der Landtagswahl 2008, so viel wie noch nie. Ein neuer Spitzenwert könnte folgen, Potential gibt es noch. Aber nichts wäre schlimmer, als zu viel zu erwarten und ein gutes Ergebnis dann als Enttäuschung zu empfinden. Deswegen vermeiden die Grünen eine Zahlendebatte. Zweitstärkste Kraft wollen sie aber trotzdem werden.

Die Optionen:

Die Grünen sind die selbsternannte Premium-Opposition im Landtag. Sie haben gute Mitarbeiter, sind frech und haben der Staatsregierung schon mehr als einmal Ärger bereitet. Aber eigentlich wollen sie gar nicht länger immer nur dagegen sein. Und außerdem ist es mit fünf Parteien im Parlament auch für sie schwerer geworden, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Die Grünen wollen selbst regieren. Weil die SPD schwächelt, ist eine schwarz-grüne Koalition wahrscheinlicher als eine ohne die CSU. Das wissen die Grünen und sind pragmatisch genug, um schwarz-grün nicht mehr kategorisch auszuschließen. Das zieht ein neues Problem nach sich: Wie soll sie das Profil als kraftvolle Opposition bewahren, wenn der Gegner gleichzeitig der einzig realistische Bündnispartner ist?

Der Nachwuchs:

Da fällt zurzeit vor allem einer auf: Ludwig Hartmann, der Vorkämpfer gegen die Olympischen Spiele. Als solcher ist der 32-jährige Landsberger, der erst seit knapp zwei Jahren dem Landtag angehört, schon recht prominent geworden. Als Sprecher für Energiepolitik und somit als Söder-Widersacher machte er sich ebenfalls bereits einen Namen. Sonst sind da nicht viele. Bis vor kurzem zählte selbst Thomas Mütze noch zum Nachwuchs, mit knapp über 40 Jahren ist der neue Fraktionschef einer von den Jungen.

Die Basis:

6839 Mitglieder haben die Grünen derzeit in Bayern. Überschaubar, gemessen an den 170000 von der CSU, aber die Tendenz ist steigend. Es gibt Flecken in Bayern, da gibt es keine Grünen, wie in Teilen Niederbayerns und der Oberpfalz. Die meisten Anhänger hat die Ökopartei immer noch in den Städten. Die Basis der Grünen ist dabei oft stärker politisch links orientiert als die Spitze, das zeigt sich immer wieder bei Parteitagen. Auch die Frage einer eventuellen schwarz-grünen Koalition in Bayern würde den größten Widerstand wohl an der Basis der Ökopartei auslösen.

Die Kommunen:

In Baden-Württemberg sind die Grünen schon weiter als in Bayern, da stellen sie drei Oberbürgermeister. Das gibt es im Freistaat noch nicht, aber vielleicht bald: Wenn am 10. Oktober in Landshut gewählt wird, hat mit Thomas Keyßner zum ersten Mal ein Grüner eine echte Chance auf den OB-Sessel. Acht Bürgermeister stellen die Grünen bisher in Bayern, in kleinen Dörfern wie Wurmsham in Niederbayern, aber auch in größeren Kommunen wie dem mittelfränkischen Lauf an der Pegnitz. Mehr als 1200 kommunale Mandatsträger gehören den Grünen an. Sie sind inzwischen in allen Kreistagen vertreten, bis auf einen: Dingolfing-Landau, Niederbayern.

Die Probleme:

Eine Volkspartei sind die Grünen nicht, wollen sie auch gar nicht sein. Nur Ökopartei reicht ihnen aber auch nicht. Seit Jahren bemühen sich die Grünen um ein stärkeres Profil in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. In diesem Bereich traut ihnen die Bevölkerung noch recht wenig zu. Allerdings profitieren die Grünen von der Wirtschaftskrise, weil sie den ungebändigten Märkten das Konzept des "green new deal" gegenüberstellen. Diese Idee der ökologischen Wende passt in die Zeit. In Bayern gibt es trotzdem immer noch Themen, bei denen die Grünen Außenseiter-Positionen besetzen. Mit ihrem Kruzifix-Beschluss beispielsweise, mit dem sie Kreuze aus den Schulen verbannen wollten, vergraulten sie vor zwei Jahren einige potentielle Wähler.

© SZ vom 16.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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