Oberviechtach:Furchtbarer Boden

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Wenn es stark regnet, schwemmt es auf vielen Äckern die Erde fort. Fischteiche verschlammen, ein Züchter geht nun gegen einen Landwirt vor. Denn Gesetze gegen die Erosion gibt es längst

Von Christian Sebald, Oberviechtach

Der 28. Mai 2016 hat sich bei dem Oberpfälzer Teichwirt Friedrich Heberlein tief eingeprägt. An diesem Tag prasselte heftiger Regen auf die Gegend um Oberviechtach herab, wo der gebürtige Franke an dem Flüsschen Murach seine Fischzucht betreibt. "Da kam plötzlich die Nachricht, dass die Murach völlig verschlammt ist und unsere Teiche mit den Saiblingen und Forellen bedroht", sagt er. "Ich bin sofort hin zu ihnen." Als er ankam, herrschte Chaos. Die Fische waren wegen des Schlamms in Panik, einige sprangen vor Sauerstoffmangel aus dem Wasser. Heberlein befürchtete ein Massensterben. Mit Schaufelrädern belüftete er die Teiche, bis die Fische wieder genug Sauerstoff hatten und sich beruhigten.

Der Grund für die Beinahe-Katastrophe, so haben es Gutachter ermittelt, ist ein riesiger Maisacker. Denn die Murach selbst ist eigentlich ein beschauliches Gewässer. Sie entspringt nahe der Ortschaft Oberlangau, nach einer 34 Kilometer langen Strecke quer durch den Landkreis Schwandorf mündet sie bei Zangenstein in die Schwarzach. So gut ist das Murach-Wasser, dass die Forellen und Saiblinge, aber auch die anderen Fische in den Teichen von Heberleins Fischzucht prächtig gedeihen. Bei starkem Regen allerdings wird die Murach zur Gefahr. Seit einigen Jahren verwandelt sie sich dann schnell in eine trübe, braune Brühe. Das liegt an einem 70 000 Quadratmeter großen Maisacker nahe der Fischzucht. Aus ihm wird bei heftigem Regen tonnenweise Erdreich in die Murach und die Fischteiche gespült, wo es die Fische bedroht.

Humus-Abschwemmungen oder Erosionen sind nicht nur ein Problem für Heberlein. Sondern eines der größten Probleme der Landwirtschaft in Bayern. Fachleute gehen davon aus, dass inzwischen jeder dritte Acker von Erosion betroffen ist. Besonders stark ist sie beim Anbau von Mais, Kartoffeln und Rüben. Der Grund ist, dass die Äcker, die oft etliche hundert Meter lang und breit sind, bis weit ins Jahr hinein mehr oder weniger blank da liegen. In dieser Zeit ist ihr Erdreich Niederschlägen schutzlos ausgeliefert. Zugleich ist ihr Boden so schnell mit Wasser gesättigt, dass er keines mehr aufnehmen kann. Die Folgen sind mitunter gigantische Abschwemmungen. Auf dem Acker, der Heberleins Fischzucht bedroht, haben Experten die Erosion im Jahr 2016 auf knapp 500 Tonnen Humus beziffert. 500 Tonnen Humus, das entspricht 20 Lastwagen-Ladungen.

Die Erosion betrifft als allererstes die Fruchtbarkeit der Böden. Diese leidet massiv unter den Abschwemmungen. Zum anderen ist die Erosion eine große Gefahr für die Flora und Fauna in den Gewässern. Die Sedimente zerstören die Lebensräume von Fischen und anderen Lebewesen. Erosion spielt aber auch eine gefährliche Rolle bei der Entstehung von Hochwässern. Kleine und mittlere Bäche und Flüsse treten wegen ihr immer schneller über die Ufer. Außerdem verstopfen Sedimente von Agrarflächen immer öfter Kanalrohre und andere Abflüsse.

"Es tut mir im Herzen weh, wenn ich sehe, dass bei starken Regenfällen oft wertvollster Boden weggespült wird", sagt denn auch Agrarminister Helmut Brunner (CSU). "Es ist ein Schwerpunkt meiner Politik, unsere Böden wetterfester zu machen." Brunner hat deshalb schon allerlei Förderprogramme für bodenschonendes Wirtschaften aufgelegt. Er hat Wasserberater angestellt, sie sollen die Landwirte von der Notwendigkeit des Gewässerschutzes überzeugen. Er hat Forschungsaufträge ausgeschrieben. Und demnächst unterzeichnet er sogar einen "Wasserpakt" mit dem Bauernverband und anderen Standesorganisationen, damit sich der Zustand der Bäche und Flüsse, aber auch des Grundwassers nicht weiter verschlechtert. Die bisherigen Erfolge sind freilich überschaubar. Experten zufolge wirtschaftet in besonders erosionsgefährdeten Regionen allenfalls ein Drittel der Bauern so bodenschonend, dass Abschwemmungen von ihren Äckern kein Risiko darstellen.

Dabei gibt es einen Weg, Erosion in der Landwirtschaft schnell und gezielt zu minimieren. Denn nach dem Bundesbodenschutzgesetz müssen die Bauern ihre Äcker so sorgfältig bewirtschaften, dass auf ihnen keine "schädlichen Bodenveränderungen" entstehen. Tun sie es nicht oder weigern sie sich sogar, kann das zuständige Landratsamt in Abstimmung mit dem jeweiligen Landwirtschaftsamt ein formelles Beratungsverfahren in Gang setzten. Zeigt sich in ihm ein Bauer uneinsichtig, kann er per Anordnung zu bodenschonendem Wirtschaften verpflichtet werden.

Friedrich Heberlein ist diesen Weg gegangen. Auch wenn er schwierig war, lange gedauert hat, und der Teichwirt damit dem einen oder anderen Bauern in der Nachbarschaft, aber auch manchen Beamten, gehörig auf die Nerven gegangen sein dürfte. Heberlein hat den Landwirt, von dessen Maisacker die Gefahr für seine Fische ausgeht, beim Landratsamt Schwandorf angezeigt. Er hat darauf gedrungen, dass Experten Gutachten über die tonnenweisen Abschwemmungen anfertigen und Empfehlungen aussprechen, wie sie vermieden werden können. Er hat einen Rechtsanwalt eingeschaltet und - als alles nichts zu helfen schien - an Agrarminister Brunner geschrieben. Dieser Tage hat Heberlein den Durchbruch erzielt. Das Schwandorfer Landratsamt hat verkündet, dass es demnächst eine Anordnung erlassen wird mit detaillierten Vorgaben, wie der Maisacker oberhalb der Murach bewirtschaftet werden muss, damit möglichst wenig Erdreich abgeschwemmt wird. Experten sagen, dass dies eine der ersten Anordnungen dieser Art, wenn nicht überhaupt die erste in Bayern sein dürfte.

© SZ vom 16.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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