NPD-Prozess in Passau:Ein Grab, eine Fahne, ein Prozess

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Der Rechtsradikale Thomas Wulff legte einst eine Reichskriegsflagge auf den Sarg eines Neonazis - und wurde verurteilt. Jetzt wird erneut verhandelt.

Max Hägler

Vor 18 Monaten wurde der damalige Passauer Polizeichef Alois Mannichl Opfer eines Messerstechers. Der rammte ihm vor der Haustür ein Messer in den Bauch. Noch immer ist unklar, wie sich der Angriff abgespielt hat.

Doch ins Visier der Ermittler gerieten damals Rechtsradikale, auch weil das Opfer erklärt hatte, der Angreifer habe gerufen: "Du trampelst nimmer mehr auf den Gräbern unserer Kameraden herum." Für Mannichl war klar: Dieser Spruch bezog sich auf die Beerdigung von Friedhelm Busse, einem bekannten Neonazi, der im Sommer 2008 gestorben und in Passau beerdigt worden war. Dessen Anhänger, der NPD-Mann Thomas "Steiner" Wulff, hatte ihm eine Reichskriegsflagge ins Grab gelegt. Und die Polizei hatte die Fahne wieder entfernen lassen.

Nun endlich wird über die Causa Reichskriegsflagge entschieden. Am Donnerstag wird vor dem Landgericht Passau über die Berufung von Wulff verhandelt. Das Amtsgericht Passau hatte Wulff im vergangenen Jahr wegen des Verwendens verfassungsfeindlicher Kennzeichen zu einer Geldstrafe verurteilt. Sowohl Wulff als auch die Staatsanwaltschaft hatten dagegen Berufung eingelegt.

Die Grabbeigabe ist auch über die reine Propaganda-Symbolik hinaus interessant: Einige Tage nach der Beerdigung ließen Ermittler das Grab öffnen, um die Fahne sicherzustellen. Seitdem wurde Mannichl, damals Passauer Polizeichef, als "Grabschänder" in rechtsextremen Foren geschmäht.

Die Angriffe verstärkten sich noch, nachdem Mannichl bei einer anderen rechtsextremen Trauerfeier angeblich auf einer Grabplatte gestanden haben soll - er hatte sich direkt vor die Schuhspitzen der ihrer Kameraden gedenkenden Rechtsradikalen gestellt.

Die Berufungsverhandlung über die Grabbeigabe findet erst jetzt statt, weil Wulffs Verteidiger, der NPD-Funktionär Jürgen Rieger aus Hamburg, vor einigen Monaten plötzlich gestorben war.

Rieger war bei der ersten Verhandlung am Amtsgericht im vergangenen Jahr der Auffassung, dass Wulff nicht gegen das Verbot der Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole verstoßen habe. Schließlich habe er die Fahne während einer geschlossenen Trauerfeier niedergelegt und nicht in der Öffentlichkeit - tatsächlich ist nur dies strafbar. Rieger plädierte entsprechend auf Freispruch.

Allerdings gibt es zwei Fotos des Passauer Journalisten Hubert Denk, die den Vorgang dokumentieren. Gemeinsam mit den anwesenden Polizisten habe der Journalist durchaus "Öffentlichkeit" im Sinne des Gesetzes hergestellt, urteilte das Amtsgericht und erließ eine Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen gegen Wulff.

Während diese Strafe Rieger und seinem Mandanten zu hoch war, legte die Staatsanwaltschaft Berufung ein, weil sie Wulff angesichts seiner einschlägigen Vorstrafen hinter Gittern sehen will. Thomas "Steiner" Wulff ist eine bekannte Szenefigur, die bei fast allen rechtsradikalen Demonstrationen mitwirkt, und hat sich seinen Beinamen "Steiner" in Erinnerung an einen SS-Offizier gewählt. Ein Urteil gegen ihn wird noch am Donnerstag erwartet.

Die Entscheidung in einem anderen Rechtsstreit ist bereits gefallen - zugunsten der Beteiligten von der rechtsextremen NPD. Unmittelbar nach dem Angriff auf Polizeichef Mannichl teilte die Partei auf ihrer Internetseite ihre Einschätzung über den Polizisten mit: "Der Passauer Polizeichef hat sein Amt missbraucht und mit Hilfe seines Polizeiapparates die nationale Opposition bekämpft. Mit seinen Mitteln war er nie zimperlich", so stand es zu lesen.

Mannichl habe die Neutralitätspflicht missachtet, unverhältnismäßige Mittel eingesetzt und damit das politische Klima verschärft. Mannichl stellte daraufhin Strafanzeige wegen des Verdachtes der üblen Nachrede. Die Passauer Staatsanwaltschaft folgte dieser Auffassung auch und beantragte Ende 2009 zwei Strafbefehle. Voigt und sein Mitarbeiter sollten jeweils 50 Tagessätze Geldstrafe zahlen.

Die Strafrichter am Amtsgericht und jetzt auch am Landgericht folgten dem Antrag jedoch nicht. "Es handelt sich bei den jeweiligen Sätzen nur um freie Meinungsäußerung", sagte Landgerichtspräsident Michael Huber. Eine üble Nachrede könne jedoch nur bei einer Tatsachenbehauptung zutreffen, nicht jedoch - wie in dem vorliegenden Falle - auf ein Werturteil.

Der SZ sagte Mannichl, dass er diese Entscheidung eines unabhängigen Gerichtes natürlich akzeptiere. In seinem Fall gibt es noch keine neuen Hinweise.

© SZ vom 08.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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