Neuordnung in der CSU:"Ich gehe ohne Verbitterung"

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Der gestürzte CSU-Vorsitzende Erwin Huber gibt Fehler zu - kritisiert aber auch seinen Vorgänger Edmund Stoiber.

Annette Ramelsberger

Am Sonntag ist die CSU bei der Landtagswahl auf 43,3 Prozent gefallen, am Dienstag kündigte der Parteivorsitzende Erwin Huber seinen Rücktritt an, am Mittwoch trat Ministerpräsident Günther Beckstein zurück. Huber über Versagen, Zukunft und die Erwartungen an seinen Nachfolger.

Erwin Huber tritt ab - und kritisiert seinen Vorgänger. (Foto: Foto: AP)

SZ: Die CSU zerfleischt sich in Pesonaldiskussionen. Macht sich die Partei kaputt?

Erwin Huber: Es wird keine Selbstzerfleischung geben. Die CSU dankt Günther Beckstein für seine großartige Leistung als langjähriger Innenminister und als Ministerpräsident. Wir werden die Nachfolgefrage zügig, fair und überzeugend lösen. Aber die Frage, wer Ministerpräsident wird, und ob man die Positionen des CSU-Chefs und des Regieurngschefs zusammenlegt, ist von so großer strategischer Bedeutung, dass wir dazu Zeit brauchen.

SZ: Die Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten trampeln sich gegenseitig auf den Füßen herum.

Huber: Es findet kein Machtkampf in der CSU statt, was nun geschieht, ist ein normaler demokratischer Vorgang.

SZ: Das sagen Sie. In der CSU herrscht doch die offene Feldschlacht.

Huber: Wir führen eine lebhafte Diskussion und dürfen das auch nicht unterdrücken. Aber wir dürfen nicht aus Emotionen heraus eine Entscheidung treffen. Wir müssen mit Klugheit und Weitsicht die Basis für die nächsten Erfolge legen.

SZ: Die CSU ist Ihr Lebensinhalt. Ausgerechnet unter Ihrem Vorsitz aber hat sie die absolute Mehrheit verloren. Was bedeutet das für Sie?

Huber: Das ist für mich persönlich schmerzlich und belastend. Ich widme meine ganze Kraft seit Jahrzehnten unserer Partei und ihren Idealen. Die CSU ist ein großartiges politisches Werk, geschaffen in Generationen und wir müssen dieses Erbe auch für die Zukunft erhalten.

SZ: Was haben Sie falsch gemacht?

Huber: In ruhigen Stunden werde ich diese Gewissenserforschung betreiben. Politik ist immer das Ergebnis von eigenem Gestalten und objektiven Bedingungen, und die objektiven Bedingungen waren jedenfalls nicht leicht. Beckstein und ich hatten nur ein Jahr Zeit, um uns zu positionieren. Ich habe nach besten Kräften den Einfluss der CSU in Berlin bewahrt.Die CSU wird auch weiter die große, echte, einzige Volkspartei in Bayern sein.

SZ: Das sehen viele anders. Und geben Ihnen die Schuld. Sie hätten mit Ihrem technokratischen Politikstil das Lebensgefühl der Bayern nicht mehr getroffen, sondern Kreuzzüge gegen die Linken ausgerufen, vor denen niemand Angst hat.

Huber: Ich halte mir zugute, dass die Linke nicht zuletzt wegen unseres Wahlkampfs in Bayern gescheitert ist. Und was heißt hier technokratisch? Das entspricht nicht meinem Wesen. Mein Lebensgefühl ist sehr bayerisch, manche sagen sogar: zu niederbayerisch. Aber eines stimmt: Der Stil unserer Politik muss für die Menschen nachvollziehbar und glaubwürdig sein. Wir müssen unser Programm noch zeitgemäßer umsetzen.

SZ: Sie wollen also in Zukunft mit den Fröschen reden? Sie, von dem der Spruch stammt: "Wer den Sumpf trocken legen will, darf nicht mit den Fröschen reden".

Huber: Man sollte mir einen lockeren Spruch aus dem Jahr 1995 nicht nachtragen. Wir müssen die Menschen mehr an der Politik teilhaben lassen. Ich gebe zu: Wir hatt im Jahr 2003 einen so hohen Wahlsieg, dass es schwierig war, damit umzugehen. Übermut, Überheblichkeit werden abgestraft. Es geht nicht nur darum, welche Politik man macht, sondern auch, wie man sie macht. Das ist die Lehre der letzten fünf Jahre. Jetzt müssen wir verlorenes Vertrauen zurückgewinnen.

Erwin Huber
:Absturz einer politischen Allzweckwaffe

Er galt als rechte Hand von Edmund Stoiber, der in ihm eine politische Allzweckwaffe sah. Nach Stoibers Abgang konnte sich Erwin Huber selbst nicht mehr lange halten. Seine Karriere in Bildern.

SZ: Sie haben von der Arroganz der Macht durch die Zwei-Drittel-Mehrheit gesprochen. Welchen Anteil daran hatte denn Edmund Stoiber?

Huber: Ich bin nicht der Sündenbock und ich werde auch niemand anderes zum Sündenbock machen. Die Reformpolitik seit 2003 war im Rückblick eine gewaltige Leistung, aber auch eine Belastung. Wir haben sie zu wenig verständlich machen können und dort, wo sie über das Ziel hinaus geschossen ist, nicht rechtzeitig geändert. Und natürlich hat uns das Schwanken von Stoiber zwischen Berlin und München zwei Jahre lang eine Diskussion gebracht, die die politischen Inhalte überdeckt hat.

SZ: Heißt das: Sie mussten zurücktreten, weil Stoiber abgehoben hatte?

Huber: Mein Rücktritt war die nüchterne Konsequenz aus dem Wahlergebnis. Günther Beckstein und ich waren beide verantwortlich in die Politik Stoibers eingebunden. Ich gehe ohne Verbitterung und werde mich nicht in den Schmollwinkel zurückziehen.

SZ: Wo wird Ihr Platz sein?

Huber: Ich bin für fünf Jahre als Abgeordneter gewählt und bin bereit, dort konstruktiv mitzuwirken, wo meine Partei mich braucht.

SZ: Ihr Nachfolger wird mit großer Wahrscheinlichkeit Horst Seehofer. Was kann er, was Sie nicht können?

Huber: Er ist ein außerordentlich kompetenter und erfahrener Politiker. Ich gebe ihm eine sehr gute Prognose, die CSU in eine erfolgreiche Zukunft zu führen und werde ihn darin nach Kräften unterstützen.

SZ: Seehofer gilt als charismatisch, aber auch als Egomane. Wo liegen die Chancen und Risiken Seehofers?

Huber: Jeder muss mit solchen Klischees leben. Ich glaube, dass Seehofer das Geschick hat, alle in der Partei zu integrieren. Der Oktober 2008 ist ein historischer Monat für die CSU. Wir legen jetzt die Basis für die Europawahl und die Bundestagswahl 2009 und auch schon für die Landtagswahl 2013. Wir müssen geschlossen den Aufbruch wagen - in der Sache und in der Mannschaft.

SZ: Wird die CSU eine normale Partei?

Huber: Normal im Sinne von demokratisch waren wir immer und von Anfang an. Das Herausragende an der CSU sind ihre Erfolge, was die Höhe und die Dauer anbelangt und die tiefe Verwurzelung mit dem Land Bayern und seinen Menschen. Der Mythos der CSU ist durch die Verfehlung des Wahlziels beeinträchtigt, aber nicht zerstört.

© SZ vom 2.10.2008/vw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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