Nachwahl-Depression:Vielfältiges Bayern, einfältige CSU

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Wie die CSU Bayern lächerlich macht: Die Staatspartei a. D. hat nicht erkannt, dass ihr Regionalismus zum Provinzialismus geworden ist.

Kurt Kister

Die Wahrscheinlichkeit, dass Horst Seehofer bayerischer Ministerpräsident und CSU-Vorsitzender werden wird, ist groß.

Durchgerüttelte CSU: Die Staatspartei a. D. ist nach ihrem Absturz so durch den Wind, dass sie sich über Kleinigkeiten wie die Legitimation eines Ministerpräsidenten keine Gedanken macht. (Foto: Foto: ddp)

Zwar lehnte vor einem Jahr noch die Mehrheit der CSU beim Stoiber-Erbverteilungs-Parteitag Seehofer als Chef entschieden ab. Er galt als zu großsprecherisch, zu egoistisch und zu intrigant gegenüber Parteifreunden.

Heute ist das egal. Bei der Landtagswahl stand Seehofer auf keiner Liste. Auch egal. Die Staatspartei a.D. ist nach ihrem Absturz so durch den Wind, dass sie sich über Kleinigkeiten wie die Legitimation eines Ministerpräsidenten durch ein Wählervotum keine Gedanken macht.

Dass die CSU von einer Mehrheit der Wähler nicht mehr als die gleichzeitig traditionsbewusste und moderne Volkspartei akzeptiert wird, hat der vorvergangene Sonntag bewiesen.

Der Löwenanteil der höheren CSU-Funktionäre beweist seitdem noch etwas: Die Partei versteht das Land, das sie stets als "ihren" Staat begriffen hat, nicht mehr. Das beste Beispiel dafür ist der bauernbühnenhafte Regionalismus, der beim Kampf um die Spitzenpositionen zu Tage tritt.

Gewiss, zum bayerischen Lebensgefühl zählt die Zugehörigkeit zu oder mindestens die Sympathie für einen der "Stämme".

Die diversen Franken, Schwaben, Oberpfälzer, Nieder- und Oberbayern verleihen den Landesteilen ein je eigenes Gepräge; die Heimatvertriebenen aus dem Osten sind in der zweiten oder schon dritten Generation integriert worden.

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Es gibt, gerade wegen der guten wirtschaftlichen Situation, viel Zuzug aus anderen Bundesländern; in den Städten leben viele bayerische Griechen, Türken, Italiener oder Kroaten. Bayern ist vielfältig geworden, zu seinem Glück.

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Trotz herber Verluste hat die CSU zwar fast alle Direktmandate in den 91 Stimmkeisen gewonnen. Einige Abgeordnete haben den Einzug dennoch verpasst.

Die CSU aber ist in dieser Hinsicht einfältig geblieben. Sie glaubt an den überholten Mythos, dass die Bayern den von der CSU definierten Proporz wollen.

Dies führte bisher schon zu teils absurden Besetzungen im Kabinett, weil man ethnisch-religiöse Gegengewichte zu evangelischen Franken oder katholischen Niederbayern finden musste.

In der Nachwahl-Depression haben sich CSU-Funktionäre nicht aus politischen Gründen angeschrien, sondern weil sie Franken, Altbayern oder Schwaben sind.

Ginge es nicht um die Regierung eines wichtigen Bundeslandes, wäre das nur komisch. So aber macht die CSU Bayern lächerlich.

Prompt haben sich denn auch Männer gemeldet, die als Schwabe, Oberbayer oder Franke Ministerpräsident werden wollen oder wollten.

Bei dem einen oder anderen der Prätendenten kann man jenseits der regionalen Herkunft kaum weitere herausragende Qualifikationen für den schwierigen Posten des Ministerpräsidenten erkennen.

Unter den Heimatbewussten, aber politisch Schwachen mag Seehofer tatsächlich der Stärkste sein. Immerhin war er so lange in Bonn und Berlin, dass er den Provinzialisten seiner verstörten Partei vielleicht erklären kann, warum ihnen ihr altes Denken eine so grässliche Niederlage beschert hat.

© SZ vom 07.10.2008/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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