Mysteriöser Kriminalfall:Spurlos verschwunden

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Taprap Chettana aus Ingolstadt fährt mit ihrer Familie in den Urlaub nach Kroatien, doch dort ist sie vermutlich nie angekommen. Jetzt ermittelt die Polizei in drei Ländern wegen eines möglichen Verbrechens.

Susi Wimmer

Das Seestüberl in Flachau ist rustikal und schlicht, malerisch gelegen in den österreichischen Bergen im Salzburger Land, umgeben von vielen kleinen Badeseen und üppigen Wiesen mit Butterblumen. Zwei Kriminalbeamte der Polizei Ingolstadt waren unlängst dort zu Gast, weniger wegen des Bergidylls und der Frittatensuppe, sondern wegen eines mysteriösen Kriminalfalls.

Seit 12. Juni ist Taprap Chettana aus Ingolstadt als vermisst gemeldet. (Foto: dpa)

Am 12. Juni 2012 meldete ein Ingolstädter seine 31-jährige Lebensgefährtin Taprap Chettana offiziell als vermisst. Sie sei während des gemeinsamen Urlaubs auf der kroatischen Insel Rab nicht von einem Strandspaziergang zurückgekehrt, gab er an. Die Polizei allerdings hegt den Verdacht, dass die Frau nie am Urlaubsziel in Kroatien ankam. Sie ermittelt zusammen mit den Salzburger Kollegen in Flachau, wo die Familie auf der Fahrt nach Süden Station gemacht hatte - und zwar wegen eines möglichen Tötungsdeliktes.

Das Appartement auf Rab war gebucht, der giftgrüne VW-Bus gepackt: Am Montag, 4. Juni, brach Taprap Chettana kurz vor Mitternacht mit ihrem 34-jährigen Lebensgefährten und ihren beiden Kinder, zwei und fünf Jahre alt, in Richtung Kroatien auf. Die Frau stammt aus Thailand, lebte bereits seit Jahren in Ingolstadt.

Zu den familiären Verhältnissen des unverheirateten Paares will sich die Polizei nicht äußern. Die Beziehung allerdings soll "belastet" gewesen sein, ist aus Polizeikreisen zu hören. Der Campingbus allerdings gab ziemlich früh den Geist auf: Bereits in Radstadt in Österreich musste der Lebensgefährte eine VW-Werkstatt ansteuern. So schnell war der Wagen wohl nicht zu reparieren, jedenfalls bezog die Familie für vier Tage Quartier im Seestüberl in Flachau.

Am 9. Juni ging die Fahrt weiter. Der grüne Campingbus blieb zurück, stattdessen reiste die Familie mit einem Mietwagen weiter, einem roten Mercedes Vito mit Anhänger. In den frühen Morgenstunden des 10. Juni erreichte man die Unterkunft in Lopar auf der Insel Rab. Am Abend des 12. Juni erstattet der Mann Vermisstenanzeige bei der örtlichen Polizei: Seine Lebensgefährtin sei von einem Strandspaziergang nicht zurückgekehrt, gab er an. Die Polizei setzte eine große Suchaktion nach Taprap Chettana in Gang.

Keine einzige DNS-Spur

Ihr Lebensgefährte aber scheint es plötzlich ganz eilig zu haben: Ohne mögliche Suchergebnisse abzuwarten, packt er die Sachen zusammen, setzt die beiden Kinder ins Auto und verlässt die Insel noch in derselben Nacht. Die kroatische Polizei leitet eine Großfahndung ein.

Wenig später wird der Mann an einem kleinen Grenzübergang zu Slowenien vorläufig festgenommen. In Kroatien wird er intensiv von der Polizei vernommen, er erzählt immer wieder die Geschichte von dem Strandspaziergang. Tags darauf, am 13. Juni, erstattet auch der Vater des 34-Jährigen eine Vermisstenanzeige bei der Polizei in Ingolstadt.

Länderübergreifend werden nun drei Polizeien eingeschaltet: Kroatien, Österreich und Deutschland sind in den Vermisstenfall involviert, der im Laufe der Zeit immer mehr Ungereimtheiten an den Tag fördert: Im Appartement in Lopar findet sich keine einzige DNS-Spur von Taprap Chettana. Kein Haar, keine Hautschuppe, nichts. Weder Angestellte noch Appartement-Betreiber noch Wirte oder sonstige Personen können bezeugen, dass die Thailänderin sich in Lopar aufgehalten hat. Niemand hat sie dort gesehen.

Jetzt überprüft die Polizei auch die Grenzen, sichtet Kameraaufnahmen von den Kontrollstation. Sie findet den roten Mercedes Vito auf einem Bild. Am Steuer sitzt der Ingolstädter. Der Beifahrersitz aber ist leer.

Hans-Peter Kammerer, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern, formuliert es vorsichtig: "Es gibt keinen Beleg, dass die Frau in Kroatien eingereist ist." Für die Staatsanwaltschaft in Ingolstadt reichen die Ungereimtheiten aus, um wegen eines möglichen Tötungsdeliktes zu ermitteln.

Die beiden Kinder von Taprap Chettana werden aus der Obhut ihres Lebensgefährten genommen. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft hat das Jugendamt die Vormundschaft für die Töchter übernommen, sie befinden sich momentan in einem Jugendheim. Sie wurden bereits in Kroatien von der Polizei befragt, aber wohl ohne verwertbare Ergebnisse. Der Mann befindet sich auf freiem Fuß, für einen dringenden Tatverdacht fehlen der Polizei die Fakten.

Ermittler aus Ingolstadt recherchieren im Seestüberl in Flachau. Der grüne Campingbus wird untersucht, die Salzburger Polizei arbeitet nach einem Fahndungsaufruf Zeugenhinweise ab. "Es gibt drei Personen, die die Frau hier gesehen haben, alleine, etwa drei bis vier Tage vor der Vermisstenmeldung", sagt Michael Rausch von der Salzburger Polizei.

Mittlerweile hat die Polizei den Radius ihrer Erhebungen und Suchaktionen über den Ort Flachau hinaus ausgeweitet. "Wir sind im ganzen Raum Enns-Pongau zugange", verrät Rausch. Und obwohl mittlerweile fast vier Wochen seit dem Aufenthalt der Thailänderin vergangen sind, würden sich immer noch Zeugen melden. Es könnten die letzten Personen sein, die Taprap Chettana lebend gesehen haben.

© SZ vom 09.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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