Mitten in Würzburg:Man müsste wohl Jane Austen fragen

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Freilich kann vieles ganz anders sein, als es sich zunächst darstellt. Und die vermeintlich böse Frau eine wahrhaft liebreizende Dame. Danach allerdings sieht es gerade nicht aus, stimmt die Geschichte, die eine koreanische Studentin in Würzburg erlebt hat

Kolumne von Olaf Przybilla

Vielleicht, das gleich zu Beginn, liegt dieser Fall ja ganz anders als alle glauben. Jane-Austen-Leser kennen das: Über Hunderte Seiten stolpert eine Figur als degoutanter Widerling durch Südengland und am Ende hatten alle nur die falsche Perspektive auf diesen Mann. Damit nach Würzburg, wo eine Immobilienvermieterin und angesehene Dame der Stadtgesellschaft gerade eine Figur abgibt, die für einen Austen-Roman wie geschaffen erscheint. Eine, über die man sich den Mund zerreißt, gerne mit der Frage auf den Lippen: "Wie abgefeimt muss jemand eigentlich sein, um überhaupt nur auf so eine Idee zu kommen?"

Nach Schilderung des Anwalts Chan-jo Jun liegt der Fall so: Eine Studentin aus Würzburg bricht gramgebeugt in ihre Heimat Korea auf, weil die Katze ihrer Familie verendet ist. Sie hat ein ungetrübtes Verhältnis zu ihrer Vermieterin, weshalb es auf sie nicht verdächtig wirkt, dass diese sich mitunter per Whatsapp erkundigt, ob sie noch in Korea weilt und darauf hinweist, dass die Rückkehr in Corona-Zeiten schwierig sein dürfte. Alsbald aber kehrt die Studentin doch zurück.

Sie sperrt ihre Wohnung auf und merkt, dass da kürzlich jemand gewohnt haben muss. Ein Handwerker sei in der Wohnung gewesen, wird ihr erklärt, die Nachbarin aber will auch jemand anderes beobachtet haben. Zumal Handwerker nicht berühmt sind dafür, nach der Reparatur noch allerlei Parfüms mitgehen zu lassen. Und um es kurz zu machen: Nach einem Strafantrag von Anwalt Jun ermittelt nun die Polizei wegen des Verdachts des Hausfriedensbruchs gegen die Vermieterin. Sie scheint die Wohnung gewissermaßen zwischenvermietet zu haben.

Die Katze der Mieterin stirbt - und die Vermieterin nutzt offenbar Corona, um Reibach zu machen? Klingt eindeutig. Aber wer weiß, vielleicht hat die Dame ein besseres Herz, als alle glauben. Angeblich wollte sie einem Studenten helfen, der Corona-bedingt übergangsweise auf eine Bleibe angewiesen war. Auch gereinigt will sie Bad und Küche nach dessen Auszug haben - und wer weiß? Womöglich wäre die mutmaßlich gut-böse Tat nie aufgeflogen, wären keine Flakons abhanden gekommen. Und auch da weiß man ja nicht: Wusste der Auslandsstudent überhaupt, wo er war - und hielt das Parfüm gar für exquisiten Hotelservice?

© SZ vom 15.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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