Mitten in Würzburg:Lest mehr Dauthendey!

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Was war das für eine Überraschung? Tagesschau-Sprecher Jan Hofer trägt ein Gedicht von Max Dauthendey vor. Doch das Interesse an dem Dichter schwindet, in Würzburg steht die Dauthendey-Gesellschaft vor der Auflösung

Von Olaf Przybilla

Der Verleger Norbert Treuheit hat in der SZ kürzlich darüber geklagt, wie die Franken mit ihren Dichtern umgehen. Treuheit hat im einzigen wirklich relevanten Publikumsverlag im Norden des Freistaats, bei Ars vivendi, eine Reihe ins Leben gerufen, die Bücher vergriffener fränkischer Schriftsteller wieder auflegt. Ein Projekt, das einen übersichtlichen merkantilen Erfolg verspricht. Aber, fragt der Verleger Treuheit im Dorf Cadolzburg: "Wer soll es denn machen, wenn nicht wir?"

Eine Frage, die aus der mittelfränkischen Provinz direkt ins stolze Würzburg führt, Heimat einer ebenso stolzen Universität. Tiepolo und Balthasar Neumann wirkten am Main, Riemenschneider ohnehin, Walther von der Vogelweide dürfte seine letzte Ruhestätte neben dem Dom gefunden haben. Als eine der ersten Städte der Republik (und erste in Bayern) durfte man sich mit dem Welterbetitel schmücken. Dass Würzburg davon träumt, auch zur Europäischen Kulturhauptstadt ausgerufen zu werden, versteht sich da fast von selbst.

Nun aber zu Daniel Osthoff, einem der Vorsitzenden der Würzburger Max-Dauthendey-Gesellschaft. Dauthendey? Genau, das ist der, mit dem Jan Hofer neulich ein Stück Fernsehgeschichte geschrieben hat. Als es keiner mehr für möglich hielt, dass der Winter doch noch die Fliege macht in diesem Jahr, zitierte der Nachrichtensprecher Hofer ein Frühlingsgedicht des Würzburger Dichters Dauthendey. "Die Amseln haben Sonne getrunken, aus allen Gärten strahlen die Lieder", hebt es an. Wer die Verse "alle Menschen werden wie Vögel und bauen Nester im Blauen" einmal gelesen hat, wird sie kaum je vergessen können. Wie auch immer: Nachdem Hofer in der "Tagesschau" Max Dauthendey zitierte - stellte sich der Frühling ein.

Was für ein magischer Moment für Würzburg und die Dauthendey-Gesellschaft! Rein theoretisch. Praktisch wartet Osthoff auf die nächste Mitgliederversammlung. Weil bei der letzten waren nicht mehr genug Mitglieder da, um die Auflösung zu beschließen. Es gebe "kaum noch Interesse" am Dichter, sagt Osthoff. Zwar ernte er rührende Mitleidsbekundungen, seit er das ausgesprochen hat. Aber damit lasse sich halt keine literarische Gesellschaft unterhalten.

© SZ vom 22.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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