Mitten in Würzburg:Der lange Weg zur Empörung

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Der Würzburger Nachkriegs-Bürgermeister Helmuth Zimmerer verherrlichte in seiner Doktorarbeit auf widerlichste Weise die Rassenlehre der Nazis. Das ist seit mehr als 50 Jahren bekannt, doch nun scheint sich die Stadt zum ersten Mal ernsthaft mit dem Thema zu beschäftigen

Von Olaf Przybilla

Würzburg, das wird man so sagen dürfen, gehört zu den schönsten Städten Süddeutschlands. Die Lage mitten in den Weinbergen, oben die Festung, unten Balthasar Neumanns Residenz und ganz unten die Keller, in denen das ortstypische Getränk lagert, das hat schon was. Die Stadt strahlt manchmal nur so vor Schönheit, insbesondere wenn man bedenkt, wie furchtbar sie in den letzten Tagen des Weltkriegs zu leiden hatte.

Das ist das eine, der fabelhafte Glanz am Mainufer. Aber es gibt auch weniger Anziehendes. Zum Beispiel die, vielleicht nennt man es: Diskussionsarmut dieser Stadt. Könnte man auch Wurschtigkeit oder Weinlastigkeit nennen, so genau ist das nicht auf den Begriff zu bringen. Jedenfalls kommen manche Debatten in Unterfrankens Hauptstadt merkwürdig gemächlich in Gang. Was umso erstaunlicher ist, weil sich die Stadt über einen Mangel an universitärem Personal nun wirklich nicht beklagen kann.

Der Fall Helmuth Zimmerer lässt einen besonders ratlos zurück. Zimmerer war mal Oberbürgermeister von Würzburg, von 1956 bis 1968. Dass er eine Figur war, die der Stadt nun wirklich nicht zur Ehre gereicht, ist alles andere als ein Geheimnis. Seit mehr als 50 Jahren ist der Fall Zimmerer aktenkundig, damals beschäftigten sich die Zeitungen bundesweit mit dem merkwürdigen Mann vom Main und seiner ganz und gar widerwärtigen Juristen-Doktorarbeit. Ihr Titel lautete "Rasse, Staatsangehörigkeit, Reichsbürgerschaft. Ein Beitrag zum völkischen Staatsbegriff", eingereicht im Jahr 1936. Man könnte seitenlang aus diesem Machwerk zitieren und hätte auch dann erst einige der abstoßendsten rassistischen Stellen beisammen.

1963 zitiert erstmals eine Zeitung daraus, damals die Nürnberger Nachrichten. 1985 aber benennt die Stadt trotzdem eine Straße nach Zimmerer, ohne weitere Diskussion. Danach kommt das Thema Zimmerer zwar immer mal wieder auf. Aber wirkliche Anstalten, das Schild wieder abzunehmen, macht keiner. Bis jetzt ein Journalist der Würzburger Main Post einfach mal alles Unschöne zusammengetragen hat, was je über diesen Mann in der Zeitung (!) stand. Einfach so. Seither sind sich alle Fraktionen im Stadtrat einig: Das Schild muss weg.

© SZ vom 22.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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