Mitten in Rosenheim:Kuscheln mit Hermann

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Der seltsame Trend zu Katzen-Cafés macht sich auch in Bayern breit

Kolumne von Johann Osel

Haustiere, Hunde und Katzen vor allem, stehen bekanntlich oft im Rang eines vollwertigen Familienmitglieds, es sind lange und intensive Beziehungen, die sich da aufbauen von Mensch zu Tier; womöglich sogar umgekehrt, man kann die geliebten Viecher ja schlecht dazu befragen. Umso erstaunlicher ist, dass es auch anders geht: auf die schnelle, anonyme Tour, und das in kommerziellem Rahmen. Gut zehn Jahre dürfte es her sein, dass erstmals Videos aus Katzen-Cafés aufgetaucht sind, aus Japan und Taiwan. Das war verstörend, wie spindeldürre Menschen nudeldicke Miezen herumwuchten, allmählich klappten aber all die Annäherungsversuche und es gab zum Heißgetränk warme Schmuse- und Streicheleinheiten. Wie Trends es nun mal gerne tun, hat sich diese Idee durchgesetzt, in Bayern gab es bisher schon derlei Katzen-Cafés in München und Nürnberg. Jetzt geht's in die Fläche.

Zwei Kater und drei Katzen sind neulich in Rosenheim in einen "Katzentempel" gezogen und teilen sich das Lokal fortan mit den Gästen. Alles frisch zubereitet, versprechen die Macher. Also Speisen und Frühstück. Für Rosenheim spreche die gute Lage, aber auch die vielen Studenten. Offenbar besteht in dieser Gruppe Einsamkeitspotenzial und damit Kuschelbedürfnis. Vielleicht ist es aber generell ein Zeichen heutiger, anonymisierter Zeiten, dass solche Einrichtungen gefragt sind. In Regensburg findet eine Neueröffnung noch vor Weihnachten statt. Derzeit sollen sich Kitsune, Poppy, Hermann und Yamato an die Umgebung gewöhnen und an ihre Rolle als Lieblingskuscheltier, heißt es. "Die Stadt ist im Katzen-Wahn", vermeldet eine Zeitung, und durch Facebook schwappt die Vorfreude: "süüüß", "voll süüüß" und "supersüüüß".

Doch wozu das Ganze? Für die Katz' ist die Idee nicht. Viele Leute haben einfach weder Zeit noch Platz, sich selbst Tiere zu halten, besagt das Konzept. Und nachweislich würden gestresste Menschen in Gesellschaft der Tiere entspannter, der Blutdruck sinke. Bleibt abzuwarten, welcher Trend als nächstes kommt. Die Feuerameisen, Quallen und Skorpione dieser Welt dürften gefeit sein vor organisiertem Kuscheln. Beliebt und landläufig als sanftmütig bekannt wären noch die Elefanten. Ein Tipp: Dabei sollte man auf das Porzellan für Kaffee und Tee verzichten.

© SZ vom 13.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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