Mitten in Regensburg:Muse spielt mit dem Feuer

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Bei allzu gründlichem Brandschutz kann die Kultur schon mal in Rauch aufgehen. Da helfen dann auch die besten Argumente nichts

Kolumne von Rudolf Neumaier

Das einzig Erfreuliche an Totschlagargumenten ist, dass sie einen nicht gleich umbringen. Sonst wäre jeder Querdenker ein toter Mann. Und alle Arten von Kreativlingen könnten sich vorm ersten Einfall mit den Sterbesakramenten versehen lassen. Beim Menschen hinterlassen Totschlagargumente allenfalls leichte Blessuren auf der Seele, zum Glück. Misslich an ihnen ist aber die Brutalität, mit der sie jedes noch so zarte Ideenflämmchen orkanartig ausblasen.

So gesehen ist die Intervention des Regensburger Kunsthistorikers Hans-Christoph Dittscheid kühn. Dittscheid wartet in der Welterbe-Stadt mit einer leichten Provokation auf. "Die zuständigen Verantwortlichen", schreibt er, "müssen sich fragen lassen, was in einer Stadt mit dem Prädikat ,Weltkulturerbe' eigentlich mehr wert ist: Kultur- oder Brandschutz?" Alle Feuerwehrleute lachen sich schlapp bei dieser Frage. Bedenke, oh Musenmann, sagen sie, dass deine Kultur schnell in Rauch aufgehen kann, wenn du so vom Brandschutz denkst.

Ausgelöst hat den Vorstoß des Kunsthistorikers eine äußerst bedauerliche Entscheidung des Staatlichen Bauamtes. Es untersagte der Staatlichen Bibliothek Regensburg, Ausstellungen zu veranstalten. Bedauerlich ist der Vorgang vor allem deshalb, weil die Staatsbücherleute in den letzten Jahren mit sehenswerten kleinen Schauen, sogenannten Kabinettausstellungen, aufwarteten. Sie zeigten etwa alte Kochbücher, beleuchteten die Todesstrafe in der Frühen Neuzeit ebenso wie die Schlösser Ludwigs II. und fügten der Biergeschichtsschreibung beachtliche Fußnoten hinzu. Dazu stellten sie Vitrinen vor die Wände im geräumigen Foyer. Was daran feuergefährlich sein soll, erschließt sich einem Brandschutz-Laien nicht, denn augenscheinlich waren auch keine Fluchtwege eingeschränkt.

Der aufgebrachte Kunsthistoriker Dittscheid appelliert nun zu Recht an die Regensburger, sich mit ihm zu ärgern und bis Mitte des Monats gegen das Totschlag-argument zu unterschreiben. Wenn es den Brandschützern dann doch gelänge, die Lage differenzierter zu betrachten und im Foyer wieder Vitrinen zu erlauben, kann man darauf wetten, was die Bibliothek demnächst ausstellen wird: Brandschutzverordnungen im Wandel der Zeit. Davon gibt's angeblich reichlich.

© SZ vom 09.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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