Mitten in Nürnberg:Wärschtla im Hoeneß-Orkan

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Wer schreit, hat unrecht, heißt ein altes Sprichwort. Das kann stimmen, muss aber nicht. Aktuelles Beispiel dafür sind die Rostbratwürste und die Fabrik, die Sohn Florian für seinen Vater Uli leitet

Von Olaf Przybilla

Industriell gefertigte Nürnberger Rostbratwurst muss man nicht mögen. Es gibt Metzger in Franken, die sagen dazu Ramschware, und ganz Unrecht haben sie damit nicht. Für ein paar Cent verlassen die Dinger die original Nürnberger Wurstfabriken. Und Schuld daran, um es mal maximal deutlich zu sagen, ist genau einer: der Kunde.

Der könnte die kurze Suchtware natürlich auch beim Metzger kaufen. Aber da wär das Zeug halt etwa drei Cent fünfundneunzig teurer und so weit geht die Liebe zum Wärschtla eben nicht - wo käme man da auch hin? Und wo erst käme man hin, wenn man beim Discounter auch noch denken müsste an die Sau, wie es der erging, als sie möglichst gewinnbringend ausgeschlachtet wurde? Und, horribile dictu, sogar an diese Dings, wie heißen sie gleich? Genau, diese Menschen, die in den Fabriken Einschweißwurst im Pack konfektionieren. Weiß ja wohl der Dümmste: Erst kommt das Fressen, dann das lästige M-Wort. Kürzlich hat die Nahrungs-Gewerkschaft mal wieder einen Stand in Nürnberg aufgebaut. These: Die Menschen in diesen Fabriken haben mindestens den gleichen Schutz verdient wie die Würste. Im Jahr 2010 haben sie das schon mal gemacht und zwar genau an jenem Tag, als die Industrie- und Handelskammer Ulrich Hoeneß als "ehrbaren Kaufmann" würdigte. Wer die Reaktion von Hoeneß erlebt hat damals, die Lautstärke vor allem, der wird's nie wieder vergessen.

Auch diesmal fokussiert sich die Debatte auffällig auf Wurstproduzent Howe, von Ulrich Hoeneß gegründet, geführt heute von Sohn Florian. Das ist einerseits okay. Auch bei Hoeneß verdienen - Achtung! - Menschen, die Industriewurst herstellen, Löhne, die dem Einschweißwurstkonsumenten die Schamesröte ins Gesicht treiben sollten. Andererseits ist der Fokus auf Promi Hoeneß auch billig, weil gerade er sich nicht mit Extrem-Leiharbeit hervortut. Schon gar nicht mit Werkvertrags-Exzessen.

Wer will, kann das übrigens bei Hoeneß-Junior direkt erfahren; sich dabei im Lauf des Gesprächs fühlen wie einst Christoph Daum im Hoeneß-Orkan. Und er wird am Ende des, nun ja, Austauschs mit Florian Hoeneß ahnen, wozu Industriewürstchen womöglich wirklich gut sein könnten: als Schallschutz.

© SZ vom 14.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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