Mitten in Nürnberg:Fast so gut wie Ottawa

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Städterankings muss kein Mensch ernst nehmen - aber irgendwie sind sie doch immer wahr. Wie man am Beispiel Nürnberg sehen kann

Von Olaf Przybilla

Sebastian Brehm ist Fraktionsvorsitzender der CSU in Nürnberg und er ist gewissermaßen eine Art inoffizieller Dauerkandidat gegen Oberbürgermeister Ulrich Maly. Schon bei der letzten Kommunalwahl ist Brehm die nicht vergnügungssteuerpflichtige Aufgabe zugefallen, gegen den einprägsamsten Sozialdemokraten unter Bayerns Sonne anzutreten, und das Ergebnis war noch erschütternder, als man es ohnehin schon erwartet hatte. Womöglich zur Belohnung für so viel Aufopferungsbereitschaft hat Markus Söder, der Nürnberger CSU-Chef, bereits einen Tag nach der Wahl den nächsten OB-Kandidaten der Halbmillionenstadt ausgerufen. And the winner is: Sebastian Brehm.

Jedenfalls konnte man Söders Einlassung, dass ja viele Kandidaten nicht gleich beim ersten Versuch siegreich waren, nicht anders verstehen. Nun weiß man nicht, was in Brehm so vorgeht. Ob er einen Zweitversuch nach dem größten anzunehmenden Debakel als höchstmögliche Ehre oder schlimmstmögliche Perfidie empfindet. Man könnte aber zur Einschätzung gelangen, dass er den Job als immerwährender CSU-Bewerber von Nürnberg so früh wie möglich loshaben will. Was man verstehen könnte.

Brehm hat gerade den Nürnberger Nachrichten ein Interview gegeben und seine These erneuert, man könnte die Fürther Straße, an der AEG, Triumph Adler und Quelle zugrunde gingen, doch zu einer Art Champs-Élysées von Franken ausbauen. Und er hat, auch weil so was eher nicht geplant ist, seine Befürchtung geäußert, die Stadt könnte "wieder dorthin abrutschen", wo sie schon mal war. Und zwar als Trägerin des Titels "langweiligste Großstadt Deutschlands".

Es gäbe sehr viel Grundsätzliches zu tun in Nürnberg, so muss man Brehms Stadtbeschimpfung wohl verstehen. Nun kann man das womöglich so sehen, der Zeitpunkt aber für Brehms Invektive hätte glücklicher ausfallen können. Exakt am Tag des Interviews nämlich wurde eines jener Städterankings bekannt, die kein Mensch ernst nehmen muss, die aber doch meist einen irgendwie wahren Kern haben. Für wenig Geld am besten leben kann man dem Ranking zufolge in Ottawa, Kanada. Welt-Ranking-Platz zwei belegt, das hätte man ahnen können, Nürnberg in Mittelfranken. Tja.

© SZ vom 24.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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