Mitten in Nürnberg:Das Glück und sein Gegenteil

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Ach die Nürnberger, denen muss es gut gehen. Sie bekommen eine Uni, eine Dependance des Deutschen Museums, könnten Kulturhauptstadt werden und der Club gewinnt neuerdings. Warum sie trotzdem nicht glücklich sind, lässt sich mit einem Zitat von Martin Walser erklären

Von Olaf Przybilla

Diese Nürnberger, die müssen doch allmählich ausrasten vor Glück. So hört man das mitunter und es ließen sich schon Gründe anführen dafür. Kleines Potpourri, was zuletzt geschah: Nürnberg ist Bayerns Kandidat als Europäische Kulturhauptstadt. Nürnberg bekommt erstmals seit 200 Jahren eine eigene Universität. Nürnberg wird Standort des Deutschen Museums. Nürnberg gewinnt auswärts sechs zu eins, historisch. Nürnberg gewinnt auswärts in Fürth, legendär. Der Glubb steht schon nach dem achten Spieltag kurz vorm Aufstieg. Nürnberg hat jetzt den schönsten sanierten Schönen Brunnen seit der Erfindung schöner Brunnen. Dass Nürnberg im Privatfernsehen längst die tollsten Bilder der Welt liefert, ist eh klar. Nein, nicht Frau Wöhrl auf Vox. Radelnde Männer, die von einer Stadtburg direkt durchs Bürgermeisterzimmer auf den Rathausplatz fliegen. Ja hat das die Welt schon irgendwo anders gesehen?

Jetzt schreibt aber Martin Walser: Nichts ist ohne sein Gegenteil wahr. Walser ist vom Bodensee, aber so, wie er das formuliert, könnt' er genauso vom Wöhrder See stammen, der ist eh viel schöner, seit sich der Markus Söder persönlich darum kümmert. Walsers Diktum jedenfalls macht ihn zum Nürnberger honoris causa. Und dazu muss man sich nur den Schönen Brunnen anschauen. Seit dem District Ride (wunderbare Bilder!) muss der sanierte Brunnen wieder saniert werden, weil sich ein paar Trampel nicht zu schade waren, auf dem Stahlzaun rumzuturnen. Das Deutsche Museum? Ein Finanzfiasko. Fußball in Nürnberg? Fast alle Halbmillionenstädte dürfen bei der Europameisterschaft, sollte sie kommen, Spiele ausrichten. Nürnberg nicht, ausgesiebt. Die Kulturhauptstadtbewerbung? Schön wär's halt, wenn sich einer freundlicherweise bereit erklären könnte, sich hauptberuflich darum zu kümmern. Macht aber offenbar keiner.

Bleibt die neue Universität, ein absolutes Bavarian High-End-Leuchtturm-Cluster-Projekt. Nur halt telefonisch schwer zu erreichen. Wie sagt der Entwicklungshilfeminister Gerd Müller von der CSU? "Ich bin 400 Kilometer in Nordbayern und im Nürnberger Land unterwegs gewesen. Da hatte ich vielleicht auf 50 Kilometern mobilen Empfang. Das passiert mir in Burkina Faso nicht."

© SZ vom 28.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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