Mitten in Erlangen:Pioniertaten in Gärten des Grauens

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Erlangen war in Sachen Öko schon immer ganz weit vorne, 1978 zogen die ersten Grünen schon in den Stadtrat ein. Diesmal habe sich Jugend und Wissenschaft zu einer Liste zusammengetan. Doch ihre Grenzen finden die Öko-Pioniere an den Mauern der Vorgärten

Kolumne von Olaf Przybilla

Erlangen ist eine Stadt der Öko-Pioniere. Man weiß das seit 1978, als die Grüne Liste in den Erlanger Stadtrat eingezogen ist, also zu einer Zeit, als die Grünen auf Bundesebene noch nicht mal gegründet waren. An dieser Stelle in der SZ ist die Politcombo, die da Erlangen zu kapern sich anschickte, mal als "schräge Brigade aus Weltveralberern, Alternativ- und Lustigmenschen, Frankengrantlern, Kapitalagnostikern, soziologie- und humoraffinen Biertrinkern und friedensfundamentalen Schäufeleessern" beschrieben worden. Man war, heißt das, nicht gleich parlamentskompatibel - aber Avantgarde, das waren die Umweltbürger Erlangens absolut.

Geist und Geld sind in dieser Stadt hinreichend vorhanden, der Schutz der Schöpfung stand da immer schon auf der Agenda. Dass sich für diese Kommunalwahl Studenten und Wissenschaftler zusammengetan haben, um als "Klimaliste" den Grünen im Stadtrat künftig Konkurrenz zu machen - überrascht da nicht. Es passt einfach zu Erlangen.

Und es passt auch zu Erlangen, dass der Stadtrat dort jüngst "Gärten des Grauens" für unzulässig erklärt hat. In der, Achtung, "Satzung der Stadt über die Gestaltung und Ausstattung der unbebauten Flächen der bebauten Grundstücke und über die Begrünung baulicher Anlagen" werden Bürgern ein paar Regeln für den persönlichen Vorgarten mitgegeben. "Zuwege und Zufahrten" sind aufs Mindestmaß zu beschränken, Einhausungen für Müllbehälter einzugrünen, Flachdächer von Tiefgaragenzufahrten zu bepflanzen. Und bitte: "Nicht zulässig sind insbesondere geschotterte Steingärten."

Das Ende der als Natur camouflierten Wüste - auch das passt zu Erlangen. Sollte man meinen. Wer freilich die überquellenden Leserbriefspalten der Erlanger Nachrichten durchgeht seither, kommt kaum auf die Idee, dass da einfach nur ein ästhetischer und ökologischer Abgrund eingedämmt werden soll. Liebstes Argument der versammelten Satzungsfeinde: Sollen sich die Stadträte (angesichts diverser Umweltsünden im Stadtgebiet) doch erst mal "an die eigene Nase fassen", anstatt rechtschaffenen Bürgern etwas vorzuschreiben! Sogar in Erlangen gibt's in Sachen Klimabewusstsein also offenbar noch Luft nach oben - sobald es um den eigenen Vorgarten geht.

© SZ vom 10.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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