Mitten in Bayreuth:Sendepause im Stadtrat

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In Bayreuth werden Ratssitzungen per Livestream ins Internet übertragen. Ein Teil davon zumindest. Denn nicht alle Räte verstehen offenbar ihr öffentliches Amt als ein solches

Kolumne von Olaf Przybilla

Wenn jemand Stadtrat ist, so hat er sich öffentlich um ein Amt beworben. Einen Wahlkampf hat er bestritten und dafür üblicherweise sein Gesicht gezeigt. Und er hat eine Meinung zu den relevanten Angelegenheiten der Stadt, die er nicht nur für Selbstreflexionen im hauseigenen Hobbykeller vorhält - sondern auch in öffentlicher Rede zu artikulieren bereit und imstande ist.

Sollte man jedenfalls meinen. In Bayreuth aber sind da Zweifel angebracht. Dort werden seit knapp zwei Jahren Stadtratssitzungen im Livestream übertragen. Und nach dieser Einübephase fragen sich die Stadträte der Gruppierung "Die Unabhängigen", ob der Sinn der Sache - Transparenz! - tatsächlich erreicht ist, wenn sich Online-Zuschauer in schöner Regelmäßigkeit an einem dunklen Bildschirm ergötzen dürfen. Und ihnen nicht mal jemand erklärt, warum sie jetzt mal wieder nur sehen, dass sie gerade nichts sehen.

Es ist so: Alle Beteiligten wurden vor Beginn der Livestreams gefragt, ob es okay ist, wenn man sie bei öffentlicher Rede am Bildschirm beobachten darf. Von den 44 Stadträten fanden das nach Angaben eines Stadtsprechers etwa ein halbes Dutzend eher unpassend. Und sogar zwei berufsmäßige Referenten wollen sich lieber nicht online zuschauen lassen dabei. Was zur Folge hat, dass Betrachter bei lebhafter Ratsdebatte nicht selten unvermittelt - und auch noch unkommentiert - aufs Standbild starren. Und es vorkommen kann, dass lokaldemokratisch interessierte Bayreuther sich gerade dann am Bildschirmschoner delektieren müssen, wenn Demokratie sich entscheidend manifestiert: bei der Abstimmung nämlich.

Stadtrat Wolfgang Gruber findet das eher kontraproduktiv. Zumal das städtische Leben bei Rats-Liveschalten zwar nicht zum Erliegen kommt. Aber im Durchschnitt immerhin 650 Interessierte reinklicken - eine Zahl, die man sich bei einer Stadt von der Größe Bayreuths und unerklärten Übertragungsunterbrechungen von bis zu 13 Minuten Länge (!) durchaus geringer vorstellen könnte.

Archiviert werden die Aufzeichnungen übrigens auch nicht. Was ein Stadtrat kürzlich dem Nordbayerischen Kurier schmackhaft zu machen versucht hat. Beim Niveau mancher Stadtratsdiskussion sei es schon gut, wenn diese nicht "auf Youtube weltweit zu sehen" sei. Na dann.

© SZ vom 13.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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