Mitten in Bayreuth:Meiser-Straße, nächste Runde

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Nürnberg und Bayreuth sind sich ähnlich, in vielen Dingen. Bei der Debatte um die Umbenennung einer Straße allerdings gibt es kaum Gemeinsamkeiten

Kolumne von Olaf Przybilla

Im Land Bayern gibt es zwischen einzelnen Städten bekanntlich erhebliche kultur-, struktur- und mentalitätshistorische Unterschiede. Zwischen Nürnberg und Bayreuth aber müsste man sich da schon anstrengen: Beide sind stark protestantisch geprägt, beide spielen in ihren Regionen dominante Rollen - die eine als Halbmillionenstadt, die andere als Bezirkshauptstadt - und beiden wurden in der NS-Zeit unrühmliche Hauptrollen zugewiesen, der einen als Stadt der Reichsparteitage, der anderen als auserwählter Festspielort Hitlers.

Wer über ein so ähnliches Wurzelwerk verfügt, der wird in elementaren Fragen kaum komplett konträre Haltungen einnehmen. Sollte man meinen. In einem Punkt aber haben die beiden Städte genau das getan. 2007 beschloss Nürnbergs Stadtrat, die Bischof-Meiser-Straße umzubenennen. Drei Jahre später trat Bayreuths Stadtrat zur selben Frage zusammen - und entschied sich diametral anders: Unsere Meiser-Straße soll bleiben!

Mit welchem Willen zur Differenzierung die Nürnberger Stadträte zuvor mit sich gerungen hatten, das hatte kommunalpolitische Maßstäbe gesetzt. In einer Dokumentation kann man bis heute die eingeholte Expertise von mehreren Wissenschaftlern nachlesen, leicht hat es sich keiner gemacht. Ja, der Landesbischof unterstützte die Rettung getaufter Rasseverfolgter und kämpfte gegen die Gleichschaltung der Kirche durch die Nazis. Aber er machte sich auch schwerer antisemitischer Entgleisungen schuldig und schwieg zur Verfolgung der Juden. OB Ulrich Maly sagte damals: "Diese Widersprüchlichkeit ist Fakt und wird bleiben. Weder kann das eine mit dem anderen exkulpierend aufgerechnet werden, noch darf das eine das andere camouflierend zudecken." Alles in allem entschied sich Maly fürs Umbenennen. Und mit ihm die große Mehrheit der Stadträte.

Bayreuth - das sich mit seiner NS-Vergangenheit nie so schonungslos auseinandergesetzt hat wie Nürnberg - hat sich anders entschieden. Und wird neun Jahre danach erneut eingeholt von der Meiser-Debatte. Diesmal war es ein Leserbrief im Nordbayerischen Kurier, der die Diskussion hat entflammen lassen. Es braucht keine prophetischen Fähigkeiten, um zu ahnen, dass dieser Meinungsstreit die Stadt immer wieder einholen wird. Zu Recht.

© SZ vom 17.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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