Mitten in Bayreuth:Hagelschlag auf dem Hügel

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Ach, es ist keine Freude, derzeit auf die Bayreuther Festspiele zu schauen. Eine Schlagzeile folgt auf die nächste, und es sind keine guten. Und man kann nicht einmal mehr bei Peter Emmerich anrufen

Kolumne von Olaf Przybilla

Ja gibt's denn die alten Festspiele noch? Die gibt's noch, ja, aber es kann einem schon anders werden, wenn man dieser Tage den Werbeblock jener Stellenanzeige liest, mit der sie am Hügel auf die Suche nach neuem Spitzenpersonal gehen. "Unverändert ist es das denkmalgeschützte Festspielhaus mit seiner spezifischen Aura und dem unverwechselbaren Ambiente, in dem die Aufführungen stattfinden, es sind die herausragenden künstlerischen Qualitäten der Solisten, des Festspielorchesters und -chores sowie der zahlreichen Mitwirkenden" und so weiter und so fort. Gesucht wird: ein neuer kaufmännischer Geschäftsführer am Grünen Hügel. Und der soll per Stellenanzeige überzeugt werden davon, dass er da keine kulturelle Provinzklitsche übernehmen soll in Bayreuth?

Vor nicht allzu langer Zeit hätte man nun beim Festspielsprecher Peter Emmerich angefragt, ob der Hügel, diese Weltbühne der Wagnergesellschaft, das wirklich nötig hat. Über ihn hat die SZ im Januar 2019 geschrieben: "Sprecher der Festspiele war, ist und bleibt Peter Emmerich. Ein Mann, in sich ruhend, der dem alljährlich drohenden Bayreuth-Bashing mit einer fast an Todesverachtung grenzenden Gleichmut entgegensieht." Ja, Emmerich war die heimliche Symbolfigur des Hügels, aber er blieb es tragischerweise nicht mehr lange. Wenige Monate nach diesen Zeilen ist er, völlig überraschend, im Alter von 61 Jahren gestorben.

Seither ist das Festspielhaus - um es mit der FAZ zu sagen - in einen mehrteiligen "Schicksalshagelschlag" geraten, der selbst Hartgesottene nicht kaltlassen kann. Die Hügelchefin Katharina Wagner? Längerfristig erkrankt. Der bisherige Geschäftsführer Holger von Berg, der Mann, der für die Festspielsanierung verantwortlich zeichnet? Kehrt zurück nach München und geht ans Kunstministerium. Brigitte Merk-Erbe, die auf der Internetseite der Festspiele weiterhin als "Oberbürgermeisterin" und Vorsitzende der Gesellschafterversammlung am Hügel aufgeführt wird? Ist abgewählt worden - und das schon vor acht Wochen.

Aber ja doch, es geht schon noch jemand ans Telefon im Festspielhaus. Zum Nachfolger Peter Emmerichs haben sie dort Hubertus Herrmann erkoren. Dessen erste Amtshandlung: Pressemitteilung über die Absage der Festspiele 2020.

© SZ vom 27.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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