Mitten in Bayern:Unvergesslich aufs Abstellgleis

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Als Bahn-Pendler ist man an viel gewöhnt. Doch dass kürzlich die Bayerische Oberlandbahn als Zielbahnhof "Zauberflöte" anzeigte, war mal was Neues

Kolumne von Matthias Köpf

Bei der Bayerischen Oberlandbahn sind die Fahrgäste Dramen und Trauerspiele aller Art gewohnt. Dass die Züge, die im Frühtau zu Berge und abends zurück nach München fahren, an guten Ausflugswochenenden völlig überfüllt sind, ist oft viel wahrscheinlicher als eine planmäßige Ankunft. Zuletzt ließ die BOB sogar 64 Grundschüler mit fester Reservierung und Tränen in den Augen am Bahnsteig in Holzkirchen zurück, es war einfach kein Platz mehr für Passagiere. Längere Züge habe man nicht, zusätzliche Garnituren seien keine da, heißt es dann regelmäßig.

Vielleicht hätte man die alten Triebwagen nicht "Integral" nennen sollen, wo Integrale doch schon im Mathematikunterricht nichts als Probleme machen. Und "Talent", wie die nicht ganz so alten Züge heißen, hilft in dem Fall auch nicht viel. Bis in zwei Jahren will die BOB nun beide Modelle ausmustern und durch solche ersetzen, bei denen die Klimaanlage sogar dann funktioniert, wenn es heiß ist. Anfang August soll in Holzkirchen schon mal so ein neuer Zug zuversichtlich vor sich hingesurrt haben, während nebenan der Integral dröhnend daherdieselte. Dem werden wohl nicht einmal mehr Holzkirchner Grundschüler nachweinen, die vielleicht sogar am allerwenigsten.

Andererseits geht mit dem Integral womöglich auch etwas verloren, wie jetzt die Online-Lokalzeitung Tegernseer Stimme aufgezeigt hat. Der hatte eine Leserin berichtet, dass ihr Zug nach Hause als Zielbahnhof neulich nicht "Tegernsee" angezeigt habe, sondern "Zauberflöte". Ein damit konfrontierter BOB-Sprecher räumte alles ein: Der Fahrzeugführer habe den falschen Knopf gedrückt und so eine Anzeige erscheinen lassen, die irgendwann mal für eine Sonderfahrt in die Oper programmiert worden sei. Und was der Integral einmal im System habe, das könne man "nie wieder löschen", zitiert die Tegernseer Stimme. An die Zauberflöte wird sich der Integral also noch im Eisenbahnmuseum erinnern. Die Fahrgäste haben dann wohl längst seinen surrenden Nachfolger vergessen. Denn die Strecke soll ja elektrifiziert werden. Sobald die Erosion den Wallberg zu einer wüsten Ebene abgetragen hat, wird es sicher so weit sein. Der letzte Diesel wird statt der unsterblichen Zauberflöte wohl "Tegernsee" anzeigen. Doch den kennt dann keiner mehr.

© SZ vom 14.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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