Mitten in Bayern:Oans geht ab: der Wirt

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Unzufrieden mit der Gesamtsituation: So lässt sich die Stimmung dieser vier Männer der Gemeinde Geratskirchen im Rottal beschreiben. Um das zu ändern, bleibt ihnen nur ein Weg - ein öffentlicher Hilferuf

Kolumne von Johann Osel

Da sitzen sie, die vier Männer, also beisammen auf der Bierbank, der eine im Blaumann, der andere in Feuerwehruniform, einer mit Hut und einer im Trainingsanzug, was Zeichen für sportliche Aktivität sein kann, aber nicht muss. Doch die kleine Runde ist betrübt, nicht nur wegen der Limoflaschen vor ihnen anstatt eines frisch gezapften Hellen, und von Wurstsalat oder gar einem Teller Schweinsbraten herrscht ebenfalls keine Spur. Sondern auch wegen der Gesamtsituation, und die ist der Grund für die karge Verpflegung, das "Gwasch" zum Trinken. Trotz der Schönheit ihrer Gemeinde Geratskirchen im Rottal müssen sie feststellen: "Oans geht ab: der Wirt". Das Video, seit Kurzem auf Youtube zu sehen, ist ein Hilferuf: "Wirt gesucht" fürs Dorf!

Das Problem ist bekannt: In mehr als 500 Gemeinden in Bayern gibt es kein Wirtshaus mehr, beklagt der Hotel- und Gaststättenverband - und damit fehlt auch ein sozialer Treffpunkt, eine Heimstätte für Vereine oder, pathetisch ausgedrückt, die Seele des Dorfes. Wieso Gaststätten sterben? Wirte wollen nicht weitermachen, weil sie zu alt sind, weil der Job zu beschwerlich wird. Oder sie können nicht mehr, weil das Personal fehlt vom Koch bis zur Bedienung oder weil sich ihr Betrieb nicht mehr wirklich rentiert - davor blieben oft die Gäste aus, ihr Haus galt eben nicht mehr als Seele im Ort. Das Wirtschaftsministerium hat sich der Sache angenommen, mit einem Modernisierungsprogramm. Das war schön für Wirte, die rasch Anträge stellten und etwa neue Möbel gefördert bekommen. Am Gesamttrend ändert das aber wenig.

Jammern hilft nichts, man muss auch wirklich einkehren, wenn es weiter Wirtshäuser auf dem Land geben soll. In Geratskirchen verspricht man das hochheilig, so war die Idee zum Video beim Pfarrnachmittag aufgekommen. Weil beide Lokale im Ort dicht sind, müssten die Vereine Feiern absagen oder verlagern - daher der Online-Appell. Abgeguckt haben sie sich die Idee von einer Schule, die auf diesem Weg eine Rektorin suchte, berichtet die Passauer Neue Presse. Dass Sportler, Schützen, Feuerwehr oder Kartler künftig fleißig konsumieren, wird garantiert. "Moch' uns an Wirt, wir versprechan da, dass wos geht!" Der Bierdurst in den Augen der Männer untermalt das. Interessenten sollen sich schon gemeldet haben.

© SZ vom 15.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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