Mitten in Bayern:Mehr Schlucht als Graben

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Die AfD macht in diesem Winter keine Klausur: Das ist bestimmt auch besser so, wenn man an die angespannte Situation im Gesundheitswesen denkt. Denn die nächste Eskalationsstufe im internen Streit könnten wohl nur Handgreiflichkeiten sein

Glosse von Johann Osel

Es ist vermutlich besser so, dass die AfD im Landtag keine Winterklausur abhält. Das Treffen hätte diese Woche stattgefunden, wurde aber gestrichen. Der Graben, der sich zwischen dem sechsköpfigen Vorstand samt zwei Unterstützern und einer oppositionellen Elfergruppe aufgetan hat, ist mittlerweile eine Schlucht. Die Klausur im Sommer war im Streit abgebrochen worden, sie scheiterte schon an der Einigung auf eine Tagesordnung. In der Zwischenzeit, Mitte Oktober, ging anlässlich eines "Wortgefechts" in einer Sitzung eine Plexiglasscheibe in die Brüche. Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner erlangte den Spitznamen "Kung-Fu-Katrin", wenngleich sie nur versehentlich "ruckartig an den Kasten gestoßen" sein will, der Abgeordnete Ulrich Singer präsentierte Schaulustigen seine bandagierte Hand. Einzig denkbare weitere Eskalationsstufe - außer einer offiziellen Spaltung - wären nun wohl ernste Handgreiflichkeiten. Angesichts des angespannten Gesundheitssystems gilt es, die medizinische Akutversorgung zu schonen. Keine Klausur - nur folgerichtig.

Für Dienstag war als Ersatz ein strategisches Treffen des Vorstands geplant sowie eine offenbar kurzfristig anberaumte außerplanmäßige Fraktionssitzung. Alle Abgeordneten seien "herzlich" eingeladen, hieß es etwas gönnerhaft vom Vorstand. Wie viele aus der Elfergruppe kamen, war nicht zu erfahren - auf Nachfragen hörte man in deren Kreisen: keine rechte Lust auf die Zusammenkunft. Kern des Konflikts ist einerseits die politische Ausrichtung: Die Gegner werfen dem Vorstand nationalistische Töne vor, obwohl sich auch in deren Reihen Leute finden, die in puncto Radikalität nicht als Waisenknaben gelten. Andererseits geht es um den Vorwurf fehlender Professionalität und Basta-Politik ohne jeden Teamgeist. Nach der Erfahrung vom Sommer "bringt eine solche Klausur einfach nichts", sagt ein Abgeordneter. Ohnehin seien Klausuren nur "Show mit viel Blabla", zu sehen bei den anderen Parteien.

Die Blicke richten sich schon auf den Herbst: Dann wird turnusmäßig die Spitze neu gewählt. Bis dahin wird wohl weiter intern ausgeteilt, hoffentlich nur verbal. Am Dienstag begnügte sich Co-Fraktionschef Ingo Hahn jedenfalls mit dem Austeilen nach außen: Er warf Markus Söder in der Pandemie "Besessenheit" vor.

© SZ vom 20.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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