Mitten in Bayern:Im Wellental der Aktualität

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Es ist nicht leicht, zurzeit positive Gedanken zu entwickeln. Zum Beispiel ans Surfen. Außer man ist Abgeordneter der AfD

Glosse von Johann Osel

In Gedanken mag man diesem Spätdezemberbayern gerne entfliehen: Das Wetter ist unfreundlich, die Pandemie verhindert gemeinsame Aktivitäten, irgendwie ist es auch eine garstige Zeit. Die Leute schlagen sich im Streit über das Virus verbal die Köpfe ein, Kontrollettis zeigen wegen der Regeln ihre Nachbarn an und mit Beginn der nächtlichen Ausgangssperre traut sich mancher ja kaum noch aus dem Fenster zu schauen. Wie wäre da - als gedankliches Kontrastprogramm - die Welt des Surfens? Am besten natürlich an einem Strand in Kalifornien, fröhlich, friedlich und gedankenlos könnte das aber überall ablaufen. "Some honeys will be coming along", singen die Beach Boys in ihrer "Surfin' Safari", eine Safari mit Gspusis und Spezln. Oder, wie es die Sportfreunde Stiller so schön beschreiben: "Uns umgibt der Glanz der Sonne, lass uns Wellenreiten gehen." Zusammen in der Sonne, und keiner fragt, woher du kommst und wer du bist - solange man halbwegs auf dem Brett steht.

Weit weg sind derlei Gefühle derzeit, doch - welch ein Glück - die Arbeitsnachweise des Landtags liefern einen Hauch davon. Vor den Feiertagen wurde eine Litanei an Antworten der Staatsregierung auf Anfragen veröffentlicht. Eine fällt auf, Thema Surfwellen. Sie passt kaum in die Jahreszeit und auch nicht recht zur Anfragestellerin AfD. In den anderen Anfragen der Fraktion liest man meist Vorurteile und Missgunst: Wie hoch ist der Ausländeranteil bei illegalen Autorennen, wo darf der Muezzin rufen, was kostet das Internet für Flüchtlingsunterkünfte? Wohltuend klingt hier das Wellenreiten, wobei Fragesteller Gerd Mannes eh als nüchterner Wirtschaftspolitiker bekannt ist statt als Polterer. Um eben das geht es ihm: Die Wellen werden seiner Ansicht nach von Surfern, Bevölkerung und Geschäftsleuten oftmals positiv bewertet, sie könnten daher Bayerns Innenstädte "beleben".

Knapp ist die Antwort des Innenministeriums, was an fehlender Zuständigkeit liegt. "Bei der Errichtung von Surfwellen in Gemeinden handelt sich um keine staatliche Aufgabe." Insofern könne man nur da Informationen bieten, wo Vereine Wellen bauen und Geld laut Sportförderrichtlinien erhalten. Wie bisher in einem Fall, bei einer geplanten Welle an der Pegnitz in Nürnberg. Kommendes Jahr dürfte es dort losgehen, im Glanz der Sonne.

© SZ vom 29.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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