Mitten in Bayern:Heilige oder Hur?

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An der Kabarettistin Lisa Fitz scheiden sich die Geister. Vor allem ihre jüngsten politischen Aussagen sorgen für Diskussionen. Aber durch die Verleihung des Bayerischen Verdienstordens werden ihre Thesen salonfähig

Kolumne von Johann Osel

Im Frühwerk von Lisa Fitz gab es das Programm "Die heilige Hur'", es ging um den Zwiespalt in Beziehungen zwischen Anstand im Alltag und Schlüpfrigkeit im Bett. Auch die Kabarettistin sorgt stets für einen Zwiespalt, die einen lieben sie als rustikale Tabu-Brecherin, anderen gilt sie einfach nur als kracherte Schachtel. Jedenfalls war sie eine der Pionierinnen im Kabarett, gehört zum Inventar der Zunft. Zuletzt spielte sie in ihren Texten auch auf einer rechtspopulistischen Klaviatur, spricht von der "demokratischen Diktatur der Parteien" und hält "die globale Erwärmung für viel weniger gefährlich als die globale Verblödung". Ihre Kapitalismuskritik gerät zur These vom Kartell aus Hochfinanz, Eliten und "Bundestagsghetto" contra Bürger. Die AfD sieht sie als "Schreckschuss für die bürgertaube Merkel", auch wenn sie die Linke zur Wahl empfahl, wegen der Waffenexporte. 2018 sang sie: "Der Schattenstaat, die Schurkenbank, der Gierkonzern - der Rothschilds, Rockefeller, Soros und Konsorten, / die auf dem Scheißeberg des Teufels Dollars horten." Fitz sagte auf Kritik, sie sei weder rechtsradikal noch antisemitisch, "zefix". Ihr gehe es um das korrumpierte Geld- und Machtsystem, ohne Rücksicht auf Religionen. Sie sei halt nicht "helene-fischerisiert".

Jetzt hat sie neue Fans, im AfD-Milieu. Und neue Feinde - Heilige oder Hur? Neulich bekam sie den Bayerischen Verdienstorden. Das Linke Bündnis gegen Antisemitismus rügt das in einem offenen Brief an die Staatskanzlei als "Akt der Anerkennung einer verschwörungsideologischen Hetzerin", die durch antisemitische Propaganda auffalle. Eine heikle Causa. Ihr Lebenswerk ist nicht zu verleugnen. Dass Fitz nicht rechtsradikal ist, zeigen etwa Witze über Nazis mit Glatze und Springerstiefel: "Armer Bua, erst die Chemo und jetzt noch die orthopädischen Schuh'." Andererseits: Für Kritik an Ungerechtigkeiten benötigt man nicht die Rothschilds oder andere Codes der Neuen Rechten.

Ob sie gezielt auf dem Pfad unterwegs ist oder sich verrennt in der Lust am Tabubruch, ist fraglich. Man muss das aushalten, gerade in der Kunst. Aber indem der Orden ihre Thesen in der Mitte der Gesellschaft verortet, werden sie salonfähig. Vielleicht bleibt als Lösung: Allerlei Knallchargen und Freibierlätschn tragen den Orden, da ist es fast schon wieder egal.

© SZ vom 05.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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