Mitten in Augsburg:Almrausch auf dem Rathausplatz

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Die vorweihnachtliche Besinnung in der Stadt ist schwer gestört. Eine Bude auf dem Christkindlmarkt sieht einfach seltsam aus

Von Stefan Mayr

So ein Christkindlmarkt, hach, ist doch der alljährlich wiederkehrende Vorbote des Festes der Nächstenliebe. Der wunderbarste Hort der staden Zeit. Horch, wie die Englein vom Rathausbalkon runtersingen und der Schnee unter den Schuhen knirscht, wenn der Papa Kugeln, Kerzen und Krimskrams für den Christbaum kauft. Tja, so war's vielleicht einmal. In Augsburg ist die vorweihnachtliche Harmonie leider zerstört. Es gibt Knatsch zwischen den Budenbetreibern, die im Namen des Christkindls Glühwein und andere besinnliche Getränke ausschenken. Auslöser des Ärgers: Ein neuer Stand verstößt gegen die amtlichen Gestaltungs-Richtlinien der Stadt: Die "Almhütte" wurde aus wuchtigen sibirischen Eichenstämmen gezimmert und nicht in vorgeschriebener Fachwerk-Optik gestaltet, kritisieren die besorgten Nachbarn.

Eine Almhütte mitten auf dem weihnachtlichen Rathausplatz? Muss man erst mal draufkommen. Manche finden das ganz toll und schlagen gleich noch ein Bierzelt und ein Riesenrad oder ein Zirkuszelt und eine Diskohöhle vor. Das wäre doch eine Supersuper-Ergänzung des Halligalli-Treibens. Ein Stadtrat stellt fachmännisch fest: "Die Almhütte ist einfach schöner als erlaubt." Auf jeden Fall aber ist sie ein ehrliches Bauwerk. Denn sie zeigt mit größtmöglicher Klarheit, dass es auf dem Christkindlmarkt 2015 nicht mehr allzu sehr um Besinnlichkeit geht, sondern mitunter um Betankung bis zur Besinnungslosigkeit.

Die Frage, ob diese Veranstaltung nun Weihnachtsmarkt oder Christkindlmarkt oder Wintermarkt heißen soll, hat so mancher Augsburger Realist längst mit einer neuen Wortschöpfung beantwortet: Glühmarkt. Schöner Name. Erstens nennt er das Hauptprodukt des Geschehens beim Namen. Zweitens kann man ihn mit schwerer Zunge viel besser aussprechen als das Silben- und Konsonantenmonster Chrstkndlmrkt. Aber auch Glühmarkt ist schon wieder überholt, denn die Getränke heißen ja inzwischen: Heiße Oma, Amaretto Zauber, Engeleskuss, Almrausch oder Schwipsi. Da rauscht's richtig zwischen Sibirischer Eiche und Fachwerk-Imitat, und schon kursiert eine weitere, noch viel treffendere Bezeichnung für das alles: Winterplärrer.

© SZ vom 03.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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