Mitten in Ansbach:Wenn Labern krank macht

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Oberbürgermeisterin Carda Seidel redet viel und lang. Ein Stadtrat hält das nicht mehr aus: Er will raus aus dem Gremium

Von oLaf Przybilla

In Würzburg diskutieren sie gerade, ob man die Redezeit von Stadträten auf fünf Minuten beschränken sollte. In der Sitzung, in der die Causa auf die Tagesordnung kam, redeten sich einige Räte so warm, dass ihnen, gäbe es die freiwillige Selbstbeschränkung schon, nach ersten allgemeinen Darlegungen das Wort bereits wieder entzogen worden wäre - die fünf Minuten sind um!

In Ansbach liegen die Dinge nicht völlig anders. Dort aber stehen nicht etwa die Grandseigneurs im Verdacht, das Wasser nicht halten zu können, rein rhetorisch. Die parteifreie Oberbürgermeisterin Carda Seidel selbst steht in der Kritik, weil sie ihr Recht zu reden, wann und wie lang ihr danach ist, wohl eher nicht zu defensiv interpretiert. Von langatmigen Verkündigungen sieht sich die CSU genervt, 20 Minuten Ansprache brauche die Frau für Dinge, die man auch in zwei Sätzen sagen könne. Nun könnte man einwenden, dass dies, verglichen mit anderen Situationen des Berufslebens, doch ein angenehm konzises Redeverhalten zu sein scheint da in Ansbach.

Die SPD aber schlägt in dieselbe Kerbe. Sie führt die Endlosschleifen auf die Passion der OB zurück, keine Meinung unkommentiert lassen zu können. Einem Stadtrat, dem 79 Jahre alten Günter Pfisterer, wurde es dermaßen zu blöd, dass er beim letzten Tagesordnungspunkt "Anfragen" aufstand und ging. Diese Nichtigkeiten bis in die Nacht, sagt Pfisterer, er ertrage das nicht mehr.

Muss er aber, teilte ihm die Stadt daraufhin schriftlich mit. Immerhin gebe es laut Gemeindeordnung eine Pflicht für Stadträte, an Sitzungen teilzunehmen und dies, so musste Pfisterer den Hinweis deuten, bis zum bitteren Ende. Ganz egal, ob alles schon dreimal gesagt worden ist und sämtliche Antworten auf nie gestellte Fragen in der gebotenen Ausführlichkeit erörtert wurden: hiergeblieben! Andernfalls drohe dem 79-Jährigen ein saftiges Ordnungsgeld.

Es gab eine Stadträtin in Ansbach, erzählt Pfisterer, die in ihren letzten hundert Amtstagen ein Maßband mit in die Sitzungen nahm und stückchenweise abschnitt, und zu sehen, wie lange sie noch da rumsitzen muss. Das will Pfisterer so nicht. Er hat sich ein Attest besorgt und will jetzt raus aus dem Rat. Nicht kurz vor Mitternacht, sondern für immer.

© SZ vom 24.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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