Ministerpräsident Beckstein zieht Bilanz:"Ich mache keine gemütliche Politik"

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Günther Beckstein über seine ersten drei Monate im Amt, sein neues Image als Landesvater und wie lange das Führungstandem noch halten wird.

Sebastian Beck und Birgit Kruse, Videos: Karnik Gregorian

SZ: Nach knapp 100 Tagen im Amt sind Sie vom harten Hund zum altersmilden Landesvater geworden. Ist das Ihr neuer Führungsstil oder sind Sie schon erschöpft?

Günther Beckstein: Dass ich jetzt auch leisere Töne anschlage, ist nicht zufällig. Die Aufgaben eines Ministerpräsidenten sind eben andere als die des Innenministers. Ich bin mir sicher, dass jeder in Bayern meine Standpunkte zu innenpolitischen Fragen kennt. Deshalb habe ich jetzt ganz bewusst diese Themen bei meinen Äußerungen nicht in den Vordergrund gestellt. Wie ich Ausländerpolitik mache, das ist bekannt. Das heißt aber nicht, dass ich altersmilde geworden bin.

SZ: In Umfragen stehen Sie zwar gut da, aber die große Linie Ihrer Regierungspolitik ist nicht zu erkennen.

Beckstein: Ich bestreite nicht, dass diejenigen enttäuscht sein könnten, die mit sensationellen Veränderungen gerechnet haben. Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich die erfolgreiche Politik der Stoiber-Regierung, die ich wesentlich mitgestaltet habe, fortsetze. Eine Abgrenzung wäre völlig abwegig. Wenn Sie meine Regierungserklärung gelesen haben, wissen sie, dass ich den Zusammenhalt der Gesellschaft zu meinem zentralen Thema mache. Aber es dauert, bis so ein Thema Konturen in der Öffentlichkeit bekommt. Dass ich damit richtig liege, bestätigen die aktuellen Gewaltübergriffe.

SZ: Was haben Sie erreicht, außer dass der Umgangston besser geworden ist?

Beckstein: Ob der Umgangston besser geworden ist, müssen die politischen Beobachter beurteilen. Aber wer erwartet, dass ich mich in der Abweichung vom Stoiberschen Regierungsprogramm definiere, wird von vornherein nicht auf seine Kosten kommen. Ich stehe für Kontinuität in der politischen Arbeit. Deshalb ist es selbstverständlich, dass das Programm 2020 exakt umgesetzt wird - jetzt sogar beschleunigt, weil wir mehr Geld haben. Auch das Thema Haushalt ohne Neuverschuldung hat bei mir die gleiche Bedeutung wie bei Stoiber. Und es wird kein Zurück zum G9 und auch keine Abkehr vom gegliederten Schulsystem geben.

SZ: Kommt also nach dem hyperaktiven Stoiber der gemütliche Beckstein?

Beckstein: Wer meint, dass ich eine gemütliche Politik mache, der wird sich täuschen. Jeder weiß, dass ich als Innenminister sehr schnell reagiert habe, um die bestehenden Probleme anzugehen und Chancen zu nutzen. Ich werde das Ressortprinzip stark betonen. Die Zusammenarbeit mit den Ministern ist mir besonders wichtig, denn ich fühle mich als Teamspieler.

SZ: Mit der Regierungsbildung haben Sie die Fraktion massiv verärgert. Leistungsträger fühlen sich übergangen. Haben Sie noch das Vertrauen der Fraktion?

Beckstein: In der Gesamtfraktion spüre ich großen Rückhalt. Mir ging es bei der Kabinettsbildung vor allem um eine Überlegung: Dass ich mit bewährten Ministern in den Wahlkampf ziehen will. Gerade deswegen war auch eine deutliche Verjüngung auf der Ebene der Staatssekretäre notwendig. Dass einzelne Personen bei Regierungsbildungen verärgert sind, ist unvermeidlich. Das wusste ich vorher - auch wenn mich die Massivität der Verwundung bei Einzelnen überrascht hat.

SZ: Wie die von Jakob Kreidl, dem Vorsitzenden des Innenausschusses?

Beckstein: Ohne auf Einzelne einzugehen: Es ist völlig klar, dass es bei jeder Regierungsbildung auch Enttäuschungen gibt. Insgesamt besteht jedenfalls zu der großen Mehrheit in der Fraktion - übrigens auch zu denen, die nicht zum Zuge gekommen sind - eine gute und vertrauensvolle Kollegialität.

SZ: Wie ist es aber zu erklären, dass beispielsweise auch völlig unerfahrene Abgeordnete wie etwa Melanie Huml dem Kabinett angehören, erfahrene Ausschussvorsitzende jedoch nicht?

Beckstein: Die entscheidende Frage ist doch: Wie kann ich die Zukunftsfähigkeit der CSU in den nächsten Jahren sichern? Das geht nur über die Verbreiterung der CSU-Basis. Deshalb war meine Grundüberlegung: Wenn die Mehrzahl der Minister über 60 Jahre alt ist, müssen die meisten Staatssekretäre unter 40 sein. Dann ist aber auch klar, dass die Generation der 50- bis 55-Jährigen diesmal nicht zum Zuge kommt. Wenn es um die Zukunftsfähigkeit geht, müssen auch junge Leute eine Chance bekommen.

SZ: Aus dem Umfeld von Erwin Huber scheint es erste Versuche zu geben, das alte Wer-hat-die-Nase-vorn-Spiel wieder aufleben zu lassen: Huber habe den besseren Start, heißt es. Wie lange wird das Tandem Beckstein-Huber noch halten?

Beckstein: Das Tandem wird auf Dauer halten. Wir wissen, dass wir entweder gemeinsam Erfolg haben oder gemeinsam scheitern. Wir sind keine, die vor Ehrgeiz brennen und den anderen ins Abseits drängen wollen. Darüber hinaus verbindet uns auch eine persönliche Freundschaft, auch wenn es 2005 eine harte Wettbewerbssituation zwischen uns gegeben hat. Aber die Tiefe von vernünftigen Freundschaften besteht genau darin, dass man auch schwierige Situationen überstehen kann.

SZ: In Berlin ist die Stimme der CSU so vielsprachig wie noch nie. Nur die Stimme des bayerischen Ministerpräsidenten fehlt. Müssen Sie in der Bundespolitik nicht aktiver werden?

Beckstein: Es ist doch positiv, dass wir in der bundespolitischen Diskussion mit vielen Stimmen vertreten sind. Davon lebt die Demokratie doch gerade. Dass dabei auch meine Äußerungen eine Rolle spielen, ist selbstverständlich. Aber ich leide nicht unter dem Drang, dass ich jeden Tag auf der Berliner Bühne eine Nachricht hinterlassen muss. Mir geht es darum, die Interessen Bayerns zu vertreten.

SZ: Die erste Bewährungsprobe für Sie sind die Kommunalwahlen am 2.März. Unter Stoiber war die kommunale Basis der CSU mit der Regierungspolitik extrem unzufrieden. Konnten Sie die lokalen Mandatsträger mit Ihren zusätzlichen Millionen, die Sie bereitgestellt haben, besänftigen?

Beckstein: Es geht nicht nur um Geld. Aber Geld ist natürlich etwas, das Freundschaften manchmal am Leben erhält. Die Kommunalpolitiker wissen, welche Bedeutung sie für die Staatsregierung haben. Deshalb denke ich, dass wir für die Kommunalwahlen gut aufgestellt sind - auch wenn es die eine oder andere Baustelle gibt.

SZ: Im Herbst sind Landtagswahlen. Doch das Rekordergebnis von 2003 mit über 60 Prozent werden Sie nicht mehr einfahren können. Mit welchem Ergebnis sind Sie zufrieden?

Beckstein: Dass die 60,7 Prozent ein singuläres Ereignis waren, ist klar. Für mich liegt die Messlatte bei 50 Prozent plus X. Wenn ich aktuelle Umfragen höre, kann das X auch gerne etwas größer ausfallen. Meine Kleidergröße ist XXL, und wenn ich das auf die Politik übertrage, gilt mein alter Grundsatz: Man soll der Güte Gottes nicht allzu enge Grenzen setzen.

SZ: Wie zufrieden ist Ihre Frau mit Ihrer Arbeit?

Beckstein: Meine Frau sagt mir mit großer Deutlichkeit, wann ich gut war und wann ich verbesserungsfähig bin. Ich räume ein, dass ich von ihr nicht immer nur eine Eins plus für meine Auftritte bekomme. Aber sie ist mit meiner Arbeit zufrieden.

© SZ vom 10.1.2008/sueddeutsche.de/bica - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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