Militärübung der US Army:Panzer, Stryker, Stacheldraht

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Tausche Brennholz gegen Kaugummi: Die US Army veranstaltet in der Oberpfalz die größte militärische Übung in Europa seit Ende des Kalten Krieges. Die Soldaten werden vor allem geschult, die in Afghanistan begangenen Fehler nicht zu wiederholen. Und manchmal helfen sogar die Einheimischen mit.

Melanie Staudinger

Gemeinsames Training: Ein deutscher und ein amerikanischer Soldat besprechen sich auf einem Leopard-II-Panzer. (Foto: TSC Grafenwoehr)

Tarnnetze, Stacheldraht und Sandsäcke schützen den Gefechtsstand des Panzerbataillons 104. Hier kommt niemand rein, der nicht entweder eine grüne Identifikationskarte trägt, die ihn als Mitarbeiter kennzeichnet, oder die orangefarbene für Besucher. Ein Bundeswehrsoldat mit Sturmgewehr in der Hand schiebt Wache.

Leutnant Herbert Müller gibt heute den Chef. Der Gefechtsstand ist eigentlich ein großes, immerhin beheiztes Zelt. "Wir haben uns häuslicher eingerichtet, weil wir ja länger bleiben", sagt Müller. Neben dem Eingang stehen grüne Kanister mit der Aufschrift "Trinkwasser". Eine Küche fehlt, dafür gibt es Fertignahrung und reihenweise Kästen mit Wasser oder Apfelschorle. Eine karge Verpflegung, vor allem, weil in wenigen hundert Meter Entfernung die Filiale einer großen Fast-Food-Kette Burger und Pommes anbietet.

Der Gefechtsstand liegt nicht in irgendeinem Krisengebiet, sondern auf dem 162 Quadratkilometer großen Truppenübungsplatz der United States Army im oberpfälzischen Hohenfels, etwa 40 Kilometer nordwestlich von Regensburg. Dort veranstalten die Amerikaner gerade die größte militärische Übung in Europa seit Ende des Kalten Kriegs.

Sie trägt den Namen "Saber Junction", gekreuzte Säbel. Mehr als 6000 Soldaten aus 19 Nationen, davon 4000 Angehörige der US-Armee, sind daran beteiligt. Auf einem 2000 Quadratkilometer großen Areal zwischen den Truppenübungsplätzen Grafenwöhr im Norden und Hohenfels im Süden wird Krieg simuliert.

Die Vorbereitungen dauerten fast ein Jahr. Nun halten mehr als 2000 Soldaten im Feld die Stellung, andere kümmern sich um Logistik, Schulungen oder Öffentlichkeitsarbeit. Sie schlafen nur wenig, seit die Übung Anfang Oktober begonnen hat. 18-Stunden-Tage sind keine Seltenheit.

Die Simulation soll möglichst real sein, sagt Colonel John G. Norris, seit September Kommandeur in Hohenfels. Normalerweise wird am Computer trainiert. Das ist günstiger, ersetzt aber echte Manöver nicht. Für die Einheiten sei es wichtig, in größeren Gebieten zu üben, den Nachschub zu koordinieren, auch mal im Nebel zu kämpfen und dem Druck standzuhalten, wenn sie dem Feind Auge in Auge gegenüberstehen.

Für alle Schäden, die entstehen, wenn Panzer über Felder oder Autobahnen rollen, kommen die USA auf. Viele Oberpfälzer genießen das Spektakel in ihren Straßen. Und sie helfen: Als die US-Soldaten kein trockenes Holz zum Feuermachen fanden, halfen Einheimische aus - und bekamen zum Dank Kaugummi.

Inoffiziell wird die Übung "Post-Afghanistan Trainings-Modell" genannt. Die Fehler, die am Hindukusch passiert sind, sollen sich nicht wiederholen. Deshalb wurden 190 Schauspieler engagiert, die Einheimische mimen, und amerikanische Soldaten gebrieft, die Aufständische geben. Sie sind schwarz gekleidet, die Männer unter ihnen haben sich extra einen Bart wachsen lassen und verstecken unter ihren Jacken manchmal Sprengstoff.

Ob das Leben als Terrorist Spaß macht? Die meisten Soldaten lachen auf diese Frage nur, einige sind in Afghanistan auf Selbstmordattentäter getroffen. Aufgabe der US-Militärs ist nicht nur der bewaffnete Kampf gegen andere Armeen, sondern auch die Kontaktaufnahme mit der Zivilbevölkerung. Sie sollen ihr Vertrauen gewinnen, mit kleinen Geschenken oder Geld.

Anders als in Afghanistan, wo die US-Streitkräfte immer wieder in die Schlagzeilen gerieten, weil Soldaten die Einheimischen demütigten und so den Taliban zu neuer Stärke verhalfen.

Im fiktiven Kriegsgebiet zwischen den Truppenübungsplätzen Grafenwöhr und Hohenfels setzen die Amerikaner noch bis Ende Oktober ihr neuestes Waffensystem ein, das Stryker-Radfahrzeug. (Foto: US-Army)

Colonel Norris betont den internationalen Aspekt des Manövers. Bulgarische, tschechische oder ukrainische Soldaten "kämpfen" gemeinsam mit den Amerikanern.

Vor nicht einmal 20 Jahren wäre das unvorstellbar gewesen. Das Nationenübergreifende aber ist in der übergeordneten US-Army-Garnison Grafenwöhr, zu der die einzelnen amerikanischen Militärstandorte Grafenwöhr, Vilseck, Hohenfels und Garmisch gehören, wichtig geworden. "Nur wenn wir zusammenarbeiten, können wir eine größere Sicherheit garantieren", sagt Norris.

Im Gefechtsstand des deutschen Panzerbataillons hängt eine Lagekarte der soeben beendeten Mission. Dicke und dünne Pfeile sind eingezeichnet, dazu ein paar Abkürzungen und rote Zettel - für den Laien kaum verständlich. In "Saber Junction" mimen die Bundeswehr-Soldaten im Regelfall die Guten, kämpfen Seite an Seite mit dem zweiten Kavallerieregiment der US-Armee aus Vilseck.

Dieses Mal aber spielen sie den Gegner, der ein Übungsdorf erobern sollte - ein Panzer-Gefecht gegen Amerikaner, Briten, Rumänen und Bulgaren. Für die deutschen Soldaten bedeutet das: wecken um vier Uhr morgens und erst einmal den Feind ausspionieren. Zwei Stunden später rücken die ersten gepanzerten Kräfte aus, sie versuchen, die gegnerischen Kämpfer aus ihren Stellungen zu locken.

"Saber Junction 2012" ist das größte Manöver der US Army in Europa seit Ende des Kaltes Krieges. (Foto: TSC Grafenwoehr)

Auf dem Feld stehen Leopard- II-Panzer und Marder-Schützenpanzer dem neuesten amerikanischem Waffensystem gegenüber, den Stryker-Radfahrzeugen. Geschossen wird mit regulären Waffen, allerdings nicht mit echter Munition, sondern mit Lasern. Die US Army speichert digital, wie der Soldat getroffen wurde. Am Abend wird die Karte ausgewertet. Wer getötet wurde, muss einen Tag aussetzen. Damit die Truppe den Verlust spürt, wie Presseoffizier Major William Griffin erklärt. Die Fahrzeuge haben eine Warnlampe, die bei einem Treffer orangefarben leuchtet.

Gegen Mittag ist das Angriffsziel eingenommen, die Amerikaner geben sich geschlagen. "Es geht ja nicht darum, wer besser oder schlechter ist, sondern dass wir uns unserer eigenen Defizite und Stärken bewusst werden", sagt Leutnant Müller.

Trotzdem können sich die Bundeswehrsoldaten die ein oder andere Spitze per SMS gegen die besiegten Kollegen aus den USA nicht verkneifen. Und auch Colonel Norris muss zugeben: "Der deutsche Angriff war wirklich beeindruckend."

Mehr Fotos von der Übung gibt es auf Flickr.

© SZ vom 29.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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