Milde Strafe im Inzestprozess von Willmersbach:Gericht lässt Vergewaltigungsvorwurf fallen

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Überraschende Wende im Inzestprozess von Willmersbach: Das Landgericht Nürnberg hat den 69-jährigen Adolf B. wegen Inzest, Nötigung und Körperverletzung zu zwei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt. Vom Vorwurf der Vergewaltigung seiner Tochter sprachen die Richter den Familienvater jedoch frei.

In dem aufsehenerregenden Inzestprozess von Willmersbach hat das Landgericht Nürnberg-Fürth den Vergewaltigungsvorwurf fallengelassen. Bei dem Kontakt zwischen Vater und Tochter habe es sich um einvernehmlichen Geschlechtsverkehr gehandelt, urteilte das Gericht. Weil einvernehmlicher Inzest aber auch strafbar ist, verurteilte das Gericht den 69-jährigen Rentner wegen Beischlafs unter Verwandten sowie Nötigung und Körperverletzung zu zwei Jahren und acht Monaten Haft.

Urteil im Inzestprozess: Adolf B. aus Willmersbach muss nur knapp drei Jahre hinter Gitter. (Foto: dapd)

Der Vorsitzende der Strafkammmer, Günther Heydner, betonte in seiner Urteilsbegründung, es sei nicht nachweisbar, dass der Angeklagte seine Tochter mit Gewalt zum Geschlechtsverkehr gezwungen habe. Außerdem habe das Gericht Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Opfers: die 46 Jahre alte Frau habe sich bei ihren Aussagen vor der Polizei, dem Vernehmungsrichter und dem Gericht immer wieder in Widersprüche verwickelt. "Ihre Aussage ist nicht konstant", sagte der Kammervorsitzende.

Der 69-Jährige war wegen Vergewaltigung in rund 500 Fällen angeklagt gewesen. Der ehemalige Bauarbeiter soll der Anklage zufolge seine Tochter seit deren zwölften oder dreizehnten Lebensjahr über einen Zeitraum von 34 Jahren vergewaltigt haben. Die Staatsanwaltschaft hatte diese Aussagen der Tochter nach der Beweisaufnahme als erwiesen angesehen.

Die Staatsanwältin hatte in ihrem Plädoyer vergangene Woche deshalb von einem gewalttätigen Patriarchen gesprochen - und 14 Jahre Haft für den Familienvater mit anschließender Sicherungsverwahrung gefordert. "Es gibt keine Strafe, die dem Ganzen gerecht werden könnte", sagte sie. Zeugen für gewalttätige Übergriffe auf die Tochter fanden sich aber nicht.

Das Gericht folgte nun der Auffassung der Verteidigung, die die Darstellung der Frau als unglaubwürdig bezeichnet hatte. Der Angeklagte hatte stets von einvernehmlichem Geschlechtsverkehr mit seiner Tochter gesprochen, seine Tochter sei beim ersten Mal bereits 16 oder 17 gewesen. Dabei habe er nie Druck ausüben müssen, etwa mit Gewalt oder Drohungen. Der Vater hat sich nach Ansicht des Verteidigers damit lediglich des Inzests schuldig gemacht; dafür habe er allenfalls eine Strafe von fünf Jahren verdient, hatte dieser gesagt. Das Gericht blieb nun sogar noch unter dieser Forderung.

Für Aufsehen hatte der Fall gesorgt, weil der jahrzehntelange Inzest praktisch unter den Augen der Öffentlichkeit stattgefunden hatte. Im fränkischen Willmersbach wurde sogar ein Spottgedicht über die Familie publiziert. Erst als die Tochter selbst straffällig geworden war - sie hatte versucht einen Arzt zu erpressen, den sie für die Behinderung ihres Sohnes verantwortlich machte -, kam der Fall an die Öffentlichkeit. Nach jahrelangem Schweigen hatte sich die Frau ihrer Bewährungshelferin anvertraut.

© sueddeutsche.de/AFP/dapd/dpa/afis - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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