Memmelsdorf:Zeitgemäße Vergangenheit

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Im ehemaligen Torwächterhäuschen von Schloss Seehof bei Memmelsdorf konservieren und dokumentieren Restauratoren des Landesamts für Denkmalpflege

Von Katja Auer, Memmelsdorf

Der heilige Sebastian schaut gar nicht gut aus. Sein linker Fuß ist schon weggebröselt und am ganzen Körper hat er tiefe Risse. Irgendwann wäre er wahrscheinlich einfach rausgefallen aus seiner Nische in einem Haus in Gaukönigshofen. "Der Steinmetz hat ihn schon aufgegeben", sagt Christoph Sabatzki. Er nicht. Jetzt liegt die Figur aus Schilfsandstein vor ihm auf den Tisch, vorsichtig füllt er die Löcher mit einer hellen Masse. Es sieht aus wie bei einer Operation.

Sabatzki ist Restaurator und leitet die Werkstatt des Landesamtes für Denkmalpflege in Schloss Seehof bei Memmelsdorf (Landkreis Bamberg). Der Sebastian sei künstlerisch wertvoll, sagt er, deswegen habe er dem Hausbesitzer geraten, ihn wieder herrichten zu lassen. Das ist eine der wichtigsten Aufgaben von Sabatzki und seinen Kollegen. Sie beraten Privatleute und Gemeinden, Grabungsfirmen und Sammler, damit möglichst viele Denkmäler und archäologische Funde in Bayern erhalten bleiben. "Wir halten den Verfall nur auf", sagt Sabatzki, aber bitter klingt das nicht. Nur realistisch.

Die einstige Sommerresidenz der Bamberger Fürstbischöfe ist inzwischen ein beliebtes Ausflugsziel für jedermann. (Foto: Matthias Hoch)

Die Außenstelle des Landesamtes, das seinen Hauptsitz in München hat, könnte kaum passender untergebracht sein. Die Restauratoren arbeiten im ehemaligen Torwächterhäuschen von Schloss Seehof. Die ehemalige Sommerresidenz der Bamberger Fürstbischöfe ist ein beliebtes Ausflugsziel, im weitläufigen Park sind immer Spaziergänger unterwegs. Marquard Sebastian Schenk von Stauffenberg ließ die vierflügelige Anlage nach Plänen von Antonio Petrini bis 1696 errichten. Seine Nachfolger bauten die Gartenanlage aufwendig aus und ließen Brunnen, Fontäne und Wasserspiele installieren. Im 19. Jahrhundert verlotterte das Schloss, inzwischen im Privatbesitz, bis es der Freistaat 1975 kaufte. Schon ein Jahr später zogen die ersten Mitarbeiter des Landesamtes ein.

Ursula Joos schaut durch ihr Mikroskop. Darunter liegt Erde, so sieht es wenigstens aus. Ist es auch, ein Stück Boden aus einem mittelalterlichen Gräberfeld bei Bad Königshofen. Joos erkennt die Speiche eines Unterarms, ein Stück Holz, einen Samen. Sie weiß, wo eine Schnalle gelegen hat und eine Silberniete. Blockbergung heißt das, erklärt sie, wenn ein Fund mit der Erde drumherum zu ihr gebracht wird. Wer sich nicht auskennt, sieht einfach nur einen Dreckbatzen.

Nicht nur als Märtyrer hat der heilige Sebastian schon einiges mitgemacht. Doch Restaurator Thomas Sabatzki geht mit der Steinfigur pfleglich um. (Foto: Matthias Hoch)

In einem Männergrab wurde ein Schwert gefunden, ein sogenanntes Langsax, das Joos vorsichtig aus der Erde befreit hat, in der es so lange gelegen hatte. "Das steckte in einer Lederscheide mit Silbernieten", sagt sie. Vom Leder ist nicht mehr viel übrig, aber ein paar dunkle Flecken erzählen Ursula Joos, dass es so war. Sie untersucht, wie das Schwert im Grab gelegen hat, an welcher Stelle und ob es gegürtet war. Details, die Aufschluss geben können über den Mann, der dort begraben wurde. Schicht für Schicht legt Ursula Joos frei, Geduld ist eine wichtige Eigenschaft für ihren Beruf. "Das kitzeln wir raus", sagt sie und nennt ihren Job den schönsten der Welt. Das Schwert seit etwas besonderes, auch deswegen, weil es restauriert wird und dann ins Museum kommt. Das passiert längst nicht mit jedem Stück, das Joos auf den Tisch bekommt. Oft werden Funde untersucht und dokumentiert und dann im Depot verwahrt. Die meisten sogar.

"Viele Leute denken, ich habe nur mit Goldstücken zu tun", sagt Joos. Hat sie nicht. Das kommt vielleicht mal vor, aber meistens sind es Scherben und metallische oder organische Funde. "Es kommt immer wieder etwas Neues", sagt sie.

Vieles macht sie im Büro und der Werkstatt, auf der Baustelle steht sie selbst nur selten. Für Grabungsfirmen gibt es inzwischen detaillierte Anleitungen, wie sie mit Funden umgehen sollen, bevor sie dann in Schloss Seehof landen und untersucht werden. Allerhand Technik steht dort herum, Kühlschränke und Röntgengeräte, eine umfunktionierte elektrische Zahnbürste, an der sich nun ein kleines Pinselchen dreht. Und Computer, das gehört längst dazu. Weil die digitale Dokumentation vieles erleichtert, hat Helmut Voß ein Kartierungssystem entwickelt, mit dem er organische Reste an Metallen und in den Blockbergungen erfasst. "Es gab nichts Vernünftiges", sagt er, nichts, womit sich Funde hätten vergleichen lassen. Also hat er was erfunden. In unterschiedlichen Farben erscheinen die verschiedenen Schichten, man kann erkennen, wo Stoffreste an einem Fundstück waren oder Holz oder Federn. "Das etabliert sich gerade", sagt Voß, und wenn es sich durchsetzt, könnten Archäologen und Restauratoren ihre Daten besser abgleichen. Auch Voß hat einen Erdbrocken vor sich liegen. Darin verbirgt sich ein römisches Gefäß, das er freilegen will. "Es ist ein bisschen wie Kriminalarbeit", sagt er. Und klingt sehr zufrieden.

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© SZ vom 23.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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