Made in Bayern:Auf heißen Sohlen

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Rettungsdienste, Polizei, Bundeswehr und Feuerwehr, selbst die New York Firefighters, stehen auf Stiefel und Schuhe aus Mainburg. Die Firma Haix entwickelte sich vom kleinen Schuhmacherbetrieb zum weltweit aktiven Fachhersteller. Ihr neuester Hit der "Fire Eagle"

Von Anna Driftschröer, Mainburg

Das Hochhaus steht in Flammen, schwarze Rauchwolken steigen auf, Tausende Menschen rennen panisch auf die Straßen, mitten in New York. Nur wenige Minuten dauert es, bis die ersten Sirenen ertönen, ein Dutzend Löschfahrzeuge herbeifahren und die Feuerwehrleute in das Gebäude stürmen. Im Einsatz verlassen sich die New York Firefighters auf Stiefel, die aus Niederbayern kommen. Das tun übrigens auch die britische Armee und die GSG 9 der Bundespolizei. Ihre Schuhe stammen alle aus der Kleinstadt Mainburg vom Schuhfabrikanten Haix. Das Unternehmen rüstet zahlreiche Sicherheitskräfte auf der ganzen Welt aus.

Als Ewald Haimerl 1978 im Alter von 17 Jahren in den Schuhmacherbetrieb seines Vaters einstieg und eine Lehre zum Industriekaufmann und Schuhmacher begann, hatte die Firma 20 Mitarbeiter. "Anfangs haben wir nur Schuhe für den Mode- und Freizeitbereich hergestellt", erzählt Haimerl, der inzwischen Geschäftsführer ist. Im Laufe der Jahre kamen Wander- und Arbeitsstiefel dazu, die lange Zeit für verschiedenste andere deutsche Fabrikate produziert wurden. Die Marke Haix war im In- und Ausland unbekannt.

Neben seiner Arbeit im väterlichen Betrieb war Haimerl bei der Freiwilligen Feuerwehr tätig und erfüllte sich den Traum eines jeden kleinen Buben. "Einmal in einem Feuerwehrauto mit Blaulicht sitzen", erinnert sich Haimerl. Im Einsatz plagte den Feuerwehrmann und seine Kameraden immer wieder das schlechte Schuhwerk. Einfache Gummistiefel ohne jeglichen Schutz und Komfort? Für einen gelernten Schuhmacher wie Ewald Haimerl ging das gar nicht. Prompt machte er sich an die Arbeit. "1990 hatte ich meinen ersten Feuerwehrstiefel entwickelt - der erste aus Leder", erinnert sich Haimerl. 1992 war er Teil des Sortiments.

Mit dem Fire Eagle entwickelte Ewald Haimerl, selbst Feuerwehrler, einen knapp 1000 Gramm leichten Schuh. (Foto: Hanno Meier)

Der schnelle Erfolg des Feuerwehrstiefels bedeutete den Durchbruch der Firma und gab dem damals neuen Geschäftsführer eine Vision. Er wollte den Schuhmacherbetrieb, den sein Vater Xaver 1948 im niederbayerischen Mainburg gegründet und nach sich benannt hatte, ausbauen und als Marke auf dem Weltmarkt platzieren. Mitarbeiter wurden eingestellt, Lager, Büros und Produktionsflächen ausgebaut. "Bis heute ist der Betrieb immer weiter gewachsen", erzählt Haimerl.

Die Beschäftigungszahl stieg seit 1992 von 20 auf 1000, die Produktionszahl betrug im vergangenen Jahr 850 000 Paar Schuhe, vertrieben wird in 75 Länder in aller Welt. Neben drei eigenen Ladengeschäften in Deutschland verfügt Haix über drei weitere Vertriebsniederlassungen in Frankreich, China und den USA. Nur ein kleiner Anteil der Produktion erfolgt in der Zentrale Mainburg, der Großteil entsteht am zweiten Standort in Kroatien. "Alles, was heute dort hergestellt wird, steht morgen früh hier bei uns", sagt Haimerl.

Noch wie vor 60 Jahren erfolgt die Produktion in der Mainburger Firmenzentrale zu großen Teilen in Handarbeit. Die Frauen sitzen hinter ihren Nähmaschinen und verstärken das Leder mit Polstern und Schutzmembran. Schweißtreibend ist die Arbeit für die Männer an den Maschinen, die mit Hitze und Druck Nähte fixieren, das Material glätten und formen. "Dann werden Schaft und Sohle miteinander vereint, das nennen wir hier die Hochzeit", erklären die Mitarbeiter in der Produktion. 120 Arbeitsschritte braucht es bis zu einem fertigen Feuerwehrstiefel. Ein Blick auf die Anzeigetafel zeigt, "heute sind es nur fast 600", sagt Hanno Meier, PR-Manager der Firma. Im Schnitt werden hier täglich um die 800 Paar Schuhe angefertigt, in Kroatien ist es das Zehnfache.

Feuer und Flamme: Ewald Haimerl hat den Schuhmacherbetrieb seines Vaters, in dem heute 1000 Beschäftigte arbeiten, groß gemacht. (Foto: oh)

Doch nicht nur Feuerwehrstiefel umfasst das Angebot. Von Handwerk, Industrie über Jagd und Forst bis zu Rettungsdienst und Polizei reicht das Sortiment des Funktionsschuhherstellers, so wie der Betrieb sich nennt. Größter Abnehmer ist zweifellos das Militär. Die deutsche Bundeswehr ist nur eine der vielen, die mit den Schuhen aus Mainburg in Krisengebiete wie Afghanistan oder den Libanon zieht. Hohe Luftfeuchtigkeit, drückende Hitze, Eiseskälte, das Eindringen von Flüssigkeiten - zahlreiche Anforderungen muss der Schuh da natürlich erfüllen. Dementsprechend durchdacht, mit patentierten Systemen gegen hohe Sonneneinstrahlung, ablagernden Schweiß oder das Eindringen von Bakterien, läuft die Entwicklung des Schuhs durch das Forscherteam.

So auch der aktuelle Feuerwehrstiefel "Fire Eagle", den das Unternehmen kürzlich auf der Interschutz, der weltweit größten Brand- und Katastrophenschutzmesse, in Hannover präsentierte. Schnell wird klar, der Stiefel ist von einem Feuerwehrmann für einen Feuerwehrmann entwickelt. Mit weniger als 1000 Gramm ist er der leichteste Stiefel, den der Mainburger Betrieb je produziert hat. Ins Auge sticht die neongelb abgesetzte Farbe der Sohle. "Wenn ein Feuerwehrmann sich in einem brennenden Haus voller Rauch kriechend fortbewegt, kann er so direkt seinen Vordermann sehen", erklärt Meier. Auf Details wie diese kommt es an, "schließlich bewegt sich die ganze innere Sicherheit auf unseren Schuhen", lacht Geschäftsführer Haimerl.

Bevor sie in den Handel gehen, müssen die Stiefel sich in den Labors der Firmenzentrale regelmäßigen Stoß-, Druck- und Beflammungstests unterziehen. In einem brennenden Haus mit einer ganzen Truppe an Feuerwehrmännern prüfte vor einigen Jahren auch das Filmteam des Pro-7-Wissensmagazins "Galileo" den Feuerwehrstiefel auf seine Sicherheit. Spitze Nägel, Glas, Feuer - selbstverständlich unter echten Einsatzbedingungen. "Da hatte ich wirklich ein mulmiges Gefühl im Bauch, als der Feuerwehrmann mit unseren Stiefeln über 20 Sekunden lang in der 800 Grad heißen Flamme stand", erinnert sich Meier. Letztlich scheiterte das Experiment an der brennenden Hose.

Die in Mainburg gefertigten Schuhe sind sogar bei New Yorker Feuerwehrleuten beliebt. (Foto: Hanno Meier)

Echtes Bullenleder, Stahlkappen sowie eine wasserdichte und atmungsaktive Gore-tex-Membran machen den Funktionsschuh zu einem robusten Feuerwehrstiefel. Kein Wunder, dass die Preisspanne von 120 bis 300 Euro reicht. Im Jahr kommt Haimerls Firmengruppe auf einen Umsatz von 115 Millionen Euro. 90 Prozent davon bringen die Schuhe ein, der Rest verteilt sich auf Handelswaren wie Mützen, Jacken oder Socken.

Für Abenteuer, Gefahr und Action steht Haix seit Langem, wie sich auch einst in einer inszenierten Entführung während eines Pressegesprächs in der Firma zeigte. Eine vermeintliche Terrorgruppe stürmte in das Unternehmensgebäude, schnappte sich den Geschäftsführer und seilte sich an der Außenwand ab. Stuntmen sprangen aus dem Fenster. Es dauerte einige Zeit, bis Opfer Ewald Haimerl vom SEK befreit wurde. Begeisterung und Entsetzen fand sich in den Gesichtern der Journalisten. "Man muss ja in Erinnerung bleiben", sagt Meier amüsiert.

Weiter expandieren lautet der Plan für die kommenden Jahre, so auch mit dem Logistikzentrum, das 2017 ganz in der Nähe des Firmengeländes stehen soll. Die Zentrale des Unternehmens aus der Kleinstadt Mainburg in eine größere Stadt zu verlegen, ist für Haimerl keine Option. Dafür ist seine Verbundenheit zur Heimat zu groß. "Wir haben hier alles", sagt der 54-Jährige zufrieden. Eines Tages werden seine Kinder den Betrieb weiterführen. Bis dahin nimmt Ewald Haimerl die Dinge noch gerne selbst in die Hand.

© SZ vom 17.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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